Getreideunverträglichkeit gefährdet kindliche Entwicklung
Archivmeldung vom 19.06.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLea wollte nicht mehr zunehmen. Hilfe fand sie an der Kinderklinik des Universitätsklinikum Bonn. Die Ärzte diagnostizierten eine Lebensmittelallergie, die Coeliakie. Gluten, ein Eiweiß in den Getreidesorten Weizen, Roggen, Gerste und Hafer, löst eine Entzündung des Dünndarms aus. Die Nahrungsaufnahme ist gestört.
Ihre Eltern waren so glücklich nach ihrer Geburt und Lea entwickelte sich prachtvoll. Nach sechs Monaten bekam sie ihre erste Zusatznahrung. "Am liebsten aß sie Grießbrei mit Milch", sagt die Mutter. Doch dann kam die lange Zeit des Bangens: Lea verlor die Lust am Essen und nahm nicht mehr zu. Ihre Mutter verzweifelte, denn das Mädchen litt ständig unter Durchfall. Doch der Kinderarzt sah zunächst keinen Grund zur Besorgnis. Inzwischen war Lea fast ein Jahr alt. Sitzen konnte sie zwar ganz gut, aber mit dem Laufen wollte es nicht so gut klappen. Nur mit Mühe konnte sie sich hinstellen. Auch Krankengymnastik verbesserte die Situation nicht. Trotz mehrfacher Umstellung der Ernährung hatte Lea seit drei Monaten nicht mehr zugenommen. Eine Blutarmut aufgrund zu wenig Eisen wurde festgestellt. Der Kinderarzt entschied: Lea muss in die Bonner Universitätskinderklinik. Dort wurde sie gründlich untersucht. Das Mädchen war etwas blass und mager. Sie hatte einen kugelrunden vorgewölbten Bauch und dünne Beinchen. Trotz täglicher Gabe von Vitamin D zeigte sie Zeichen einer Rachitis wie aufgetriebene Gelenke an Armen und Beinen, knopfartige Schwellungen auf der Brust an den Enden der Rippen und leichte O-Beine. "Wir hatten einen starken Verdacht auf Coeliakie", sagt Professor Dr. Michael Lentze, Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums Bonn. Daher testeten die Ärzte ihr Blut auf Transglutaminase-Antikörper, die mit einer Wahrscheinlichkeit von über 96 Prozent zeigen, ob eine Glutenunverträglichkeit vorliegt oder nicht.
Coeliakie ist keine Kinderkrankheit
Coeliakie ist eine angeborene Veranlagung, bei der der Darm auf Gluten reagiert. Gluten gehört zu den Klebereiweißen der Getreide Weizen, Roggen, Gerste und Hafer und ist für das Zusammenkleben des Brotteiges verantwortlich. Kleine Bruchstücke dieses Eiweißes zerstören die Dünndarmschleimhaut. Die Darmschleimhaut wird dadurch flach und kann die Nahrung nicht mehr aufnehmen. Folgen sind Durchfälle und eine Gedeihstörung. Da auch Mineralien und Vitamine nicht mehr aufgenommen werden, kann es zu Eisenmangelanämie und Rachitis kommen.
Nicht nur Kinder erkranken an Coeliakie. Bei Erwachsenen heißt sie Sprue. "Je älter man ist, desto schwerwiegender können die Symptome sein. Kleinwuchs ist eines davon, aber auch verspätete Pubertät sowie Eisenmangel auch ohne Durchfall", sagt Professor Lentze. Und sie kommt häufiger mit anderen Krankheiten wie Zuckerkrankheit und anderen Autoimmunkrankheiten kombiniert vor. Erwachsene haben, wenn sie keine Diät halten, ein erhöhtes Risiko für Lymphknotenkrebs. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch Familienangehörige betroffen sind, beträgt zehn Prozent.
Ein Leben lang Diät halten
Der Antikörpertest bestätigte den Verdacht auf Coeliakie. Leas Mama
hatte von dieser Lebensmittelallergie noch nie etwas gehört. Das
Mädchen muss nun glutenfrei ernährt werden. Alle glutenhaltigen
Produkte wie herkömmliches Brot und Backwaren sind für sie tabu. "Diese
glutenfreie Diät muss Lea für den Rest ihres Lebens einhalten", sagt
Professor Lentze. Doch Ersatzprodukte für Brot, Brötchen, Kekse, Kuchen
und Pizza sowie Nudeln werden bereits von der Industrie angeboten. Eine
Diätassistentin beriet Leas Mutter und gab ihr einen Ernährungsplan für
die nächste Zeit. Nach zwei Monaten hatte Lea schon drei Kilogramm
zugenommen. "Und stellen Sie sich vor, sie hat ganz schnell laufen
gelernt", freut sich die Mutter. Ein anderes Kind sei sie geworden,
fröhlich, witzig und guter Dinge. Zwei Jahre später ist Lea ein
gesundes Kind. Sie geht in den Kindergarten und unterscheidet sich
nicht von den anderen Kindern - außer, dass sie jeden Tag ein
Extrapäckchen mit ihrer glutenfreien Spezialernährung dabei hat.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.