Einsatz von Immunglobulinen kritisch beleuchtet
Archivmeldung vom 16.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn die körpereigene Abwehr sich gegen den falschen Feind wendet, hat das mitunter schlimme Folgen. Werden eigene Zellen fälschlich als fremd erkannt, greifen Immunzellen sie an und zerstören sie. So geht zum Beispiel bei der Multiplen Sklerose die Isolierschicht der Nervenzellen zugrunde, ähnliche Abläufe sind Ursache des so genannten Guillain-Barré-Syndroms, das durch sich rasch ausbreitende Lähmungserscheinungen gekennzeichnet ist.
Leitlinien zum Einsatz dieses wirksamen, aber auch teuren Wirkstoffs stellen
Forscher um Prof. Dr. Ralf Gold (Neurologische Klinik der Ruhr-Universität
Bochum im St. Josef Hospital) in der aktuellen Ausgabe von NATURE Clinical
Practice Neurology zusammen. Die Autoren haben in den letzten 15 Jahren intensiv
über Mechanismen von Immunglobulinen in Grundlagen- und klinischer Forschung
gearbeitet und präsentieren den aktuellen Stand der Wissenschaft und
therapeutischen Anwendung.
Krankmachende Antikörper
neutralisieren
In den letzten zehn Jahren haben sich die Erfolge in der
Behandlung neurologischer Autoimmunerkrankungen stark verbessert. "Das beruht
vor allem auch darauf, dass unsere Therapieoptionen durch den Einsatz
intravenöser Immunglobulin-Präparate verbessert wurden", sagt Prof. Gold.
Immunglobuline sind körpereigene Eiweiße, die mit einem Ende an ganz bestimmte
Fremdkörper andocken können. Andere Zellen des Immunsystems erkennen so den
markierten Eindringling und machen ihn unschädlich. Mit dem anderen Molekülende
werden Elemente des angeborenen Immunsystems moduliert. Bei Autoimmunkrankheiten
angewandt erkennen und neutralisieren die Immunglobuline krankmachende
Antikörper und unterdrücken entzündungsfördernde Stoffe im Gewebe. Die zur
Therapie verwendeten Immunglobuline werden aus dem Blutplasma von 5.000 bis
10.000 gesunder Spender gewonnen. Ein und dasselbe Präparat eignet sich daher
zur Behandlung unterschiedlicher Autoimmunkrankheiten.
Therapie der Wahl
für verschiedene Erkrankungen
Auf Grundlage Evidenz-basierter klinischer
Studien sind intravenöse Immunglobuline nun die Therapie der Wahl beim
Guillain-Barré-Syndrom und bestimmten Nervenentzündungen wie der
chronisch-demyelinisierenden Polyneuritiden und der multifokalen motorischen
Neuropathie. Darüber hinaus sind sie eine wichtige Therapie für Patienten mit
sich rasch verschlechternder Myasthenie (eine Form von Muskelschwäche), als
Therapiealternative bei Dermatomyositis (eine Muskelentzündung mit Beteiligung
der Haut), Stiff-person Syndrom, bei dem die Muskelspannung aufgrund eines
Befalls des zentralen Nervensystems krankhaft gesteigert ist, und in bestimmten
Lebensabschnitten von Patienten mit Multipler Sklerose.
Wirkstoff ist
knapp und teuer
"Das breite Repertoire an Immunmechanismen zusammen mit
dem hervorragenden Sicherheitsprofil hat dazu geführt, dass das Medikament immer
großzügiger eingesetzt wurde, sogar bei solchen Erkrankungen, für die nur eine
schwache Datenlage existiert", stellt Prof. Gold fest. Das führt nicht nur zu
einer zunehmenden Verknappung des Wirkstoffs, sondern auch zu einem immensen
Kostenanstieg für Immunglobuline. "Deshalb müssen beim therapeutischen Einsatz
neben Kostenaspekten auch viele praktische Gesichtspunkte, unter
Berücksichtigung möglicher Wirkmechanismen bedacht werden", so Gold.
Verschiedene Erkrankungen bedürfen zum Beispiel unterschiedlicher Dosierungen
und unterschiedlich häufiger Behandlungen.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.