Druckchemikalien in Lebensmitteln: Ministerin Aigner hat ein Herz für die Industrie
Archivmeldung vom 07.09.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLebensmittelüberwachungsämter der Länder haben in den vergangenen Jahren mindestens zwölf unterschiedliche Druckchemikalien in verpackten Lebensmitteln gefunden. Das ergaben monatelange Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und den 16 Verbraucherschutzministerien der Länder.
Dabei hielten es viele Behörden nicht für angebracht, die zum Teil erschreckenden Kontaminationsbefunde, freiwillig an die Verbraucher weiterzugeben. Zahlreiche Lebensmittelproben wiesen Rückstände von zum Teil hochproblematischen Druckchemikalien auf. In mindestens neunzehn Fällen stellten die Behörden so hohe Konzentrationen der Drucksubstanzen fest, dass betroffene Lebensmittel zurückgerufen oder der weitere Verkauf untersagt werden musste.
Eine Bio-Reiswaffel von REWE enthielt nach Behördenangaben einen Cocktail von insgesamt sechs unterschiedlichen Druckchemikalien. In Knorr Mexican Tacos wurde ein Spitzenwert von bis zu 50 mg/kg der Chemikalie 4-Methylbenzophenon gemessen und überstieg damit den so genannten Unbedenklichkeitswert von 0,6 mg/kg um das 83-fache. Bereits im Dezember 2009 wies das BMELV in einem Bericht zur Beantwortung von Anfragen des Bundestagsausschusses für Verbraucherschutz darauf hin, dass 4-Methylbenzophenon als krebserregend gilt. "Es ist ein Skandal, dass das Verbraucherschutzministerium auf die Risiken von Druckchemikalien hinweist, sich aber außerstande sieht, in angemessener Weise für Abhilfe zu sorgen. Aufgabe des Hauses Aigner ist es die Verbraucher wirksam vor Chemikalien zu schützen, die nichts in Lebensmitteln zu suchen haben", sagt DUH Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Der Vorgang sei umso ärgerlicher als für zehn der zwölf gefundenen Substanzen nicht einmal eine Risikobewertung vorliege. Resch: "Da wird nach dem Motto vorgegangen: Im Zweifel für die Lebensmittelindustrie und gegen die Verbraucherinnen und Verbraucher. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner setzt konsequent die industriefreundliche Politik ihres Vorgängers Horst Seehofer fort und verweigert den Verbrauchern die notwendigen Schutzregelungen".
Nach Informationen der DUH weitet sich das Problem sogar noch aus. Untersuchungen der Behörden ergaben eine breite Palette von belasteten Produkten wie beispielsweise Müslis, Haferflocken, Mehl, Tütensuppen, Cornflakes, Müsliriegel oder Reiswaffeln. Derzeit ist der Einsatz von Druckfarben für Lebensmittelkontaktmaterialien in Deutschland weder gesetzlich noch durch Empfehlungen des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) geregelt. Nach Überzeugung der DUH dürfen grundsätzlich keine Chemikalien in Kontakt mit Lebensmitteln geraten, für die es keine Risikobewertung gibt. Führende Verpackungshersteller wie die Getränkekartonproduzenten Tetra Pak oder Elopak verweigern jedoch bis heute jede Auskunft zu Produktionsverfahren und den eingesetzten Druckchemikalien. Die Behörden beschränken ihr Handeln im Wesentlichen auf stichprobenartige Kontrollen. Diese Vorgehensweise greift jedoch zu kurz, weil immer erst gehandelt wird, wenn belastete Produkte bereits im Handel sind. In aller Regel werden die gefundenen Belastungen nicht veröffentlicht.
Die DUH fordert deshalb ein sofortiges Verbot der Anwendung von Druckchemikalien, für die keine Risikobewertung vorliegt. Zudem sind so genannte Positivlisten mit zugelassenen Drucksubstanzen und die verbindliche Festlegung von Höchstkonzentrationen für den Übergang auf Lebensmittel festzulegen. Darüber hinaus müssen Druckverfahren eingesetzt werden, bei denen es zu keinem Kontakt zwischen der Außen- und Innenseite der Verpackung kommt. Angesichts der gefundenen hohen Belastungen müssen die Kontrollen verschärft und der Verkauf belasteter Lebensmittel gestoppt werden.
Resch fordert weiter, dass die Behörden verpflichtet werden, von sich aus, unmittelbar nach Vorliegen der Belastungswerte und nicht erst auf Nachfrage die Untersuchungsergebnisse zu veröffentlichen. Verbraucherschutz bedeute Transparenz. In deutschen Amtsstuben werde aber vielfach noch immer das Amtsgeheimnis hochgehalten. So verweigert die sächsische Landesuntersuchungsanstalt für Gesundheits- und Veterinärwesen der DUH die Mitteilung von Untersuchungsergebnissen aus der staatlichen Überwachung mit der Begründung, es handele sich um Betriebsgeheimnisse der Industrie. Gegen diese Verweigerungshaltung hat die DUH nunmehr rechtliche Schritte eingeleitet.
Quelle: DUH