Liebe geht DOCH durch den Magen: Sylvester(s)Punsch
Archivmeldung vom 29.12.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Jahreswechsel ist sie Zeit für Feiern und für gute Vorsätze. Manchmal sind Letztere die unmittelbaren Folgen aus Ersteren. Und manchmal erlaubt sich die Geschichte, über das eine oder andere Kapitel einer Biographie den sanften Mantel des Vergessens zu breiten ...
Es ist in jedem Jahr gleich: irgendwann ist es vorbei. Erstaunlicherweise immer am 31. Dezember. Daran ändert sich nichts, auch nicht in einem Schaltjahr. Und es spielt auch keine Rolle, ob das ausklingende Jahr gut oder schlecht war, ob man seine Ende begrüßt oder betrauert. So oder so: Es wird das Vergehen des alten und der Beginn des neuen Jahres begossen und Feuerwerke werden abgefackelt, Reden gehalten,Küsse und Umarmungen ausgetauscht, wenn es erst einmal so weit ist und Sylvester dem Neujahrstag weicht.
Mit der gleichen schönen Regelmäßigkeit wirst Du von Deinen Freunden zu Silvester-Partys irgendwo eingeladen, wo man Dir gutes Essen, Spaß und natürlich auch eine beliebige Menge alkoholischer oder alkoholfreier Getränke verspricht.
Keiner sieht, wie Du bei diesen wohlmeinenden Offerten zusammenzuckst und nur wenige haben wirklich registriert, dass Du in jedem Jahr bei diesen Feiern eine Abstinenz offenbarst, die man in diesem Maße während des restlichen Jahres nicht unbedingt an Dir findet.
Wenn es wirklich einmal jemandem auffällt und eine diesbezügliche Frage an Dich gerichtet wird, dann antwortest Du stets ausweichend und verweist darauf, dass Du noch fahren musst, egal ob das nun stimmt oder nicht.
Bislang ist niemand auf Dein kleines Geheimnis gestoßen. Und das ist auch gut so. Denn es ist Dir einigermaßen unangenehm.
Es war einmal … Das klingt nach einem Märchen, wobei es Dir durchaus lieb wäre, wenn es sich auch um ein solches handelte. Aber leider war es durchaus real, was da geschehen ist …. vor mittlerweile elf Jahren.
Alles hatte so schön und wirklich fröhlich begonnen. Du warst mit Martina und Alex zu dieser Party gekommen, um sicher zu sein, dass Du eben nicht noch selbst würdest fahren müssen; wobei es wichtig ist zu erwähnen, dass Ihr bereits vor Eurem Aufbruch mehr als einen Begrüßungsschluck getrunken hattet. Also kamt Ihr – abgesehen von Alex, der am Steuer saß – schon leicht beschickert am Ort des Geschehens an.
Es war eine Kostümparty, wobei nicht der Aufwand des Kostüms zählte, sondern die Originalität. Robert, in dessen Haus sich das Ganze abspielte, war ein großer Comic-Fan und es war daher jeder Gast gebeten worden, sich zumindest durch ein Detail seiner Aufmachung als eine Comic-Figur zu erkennen zu geben.
Also liefen dort diverse Männer und auch einige Frauen mit Krawatten herum, auf denen sich Loriots Knollennasen, Charlie Brown und Snoopy oder Micky Mäuse und andere mehr oder minder tierische Vertreter der Welt gezeichneter Abenteuer tummelten. Du selbst hattest Dir - unter für Deine Verhältnisse großem Aufwand - ein rot-gelbes „S“ auf einen blauen Pullover genäht und damit eher dem Anspruch Ausdruck verleihen wollen, in Superstimmung zu kommen, als eine Aussage über Deine Selbsteinschätzung zu treffen.
Es schiern sich auch alles gut zu entwickeln, Du hattest Dein Vergnügen und amüsiertest Dich bestens. Und dann kam er. Oder sie kamen: Er mit einer dieser Cartoon-Krawatten, auf der sich diverse Abbilder von Sylvester, dem Kater, und Tweety, dem Kanarienvogel, befanden. Dieses Kleidungsstück trug er über einem grau-braun-gräßlichen Pullover, der aussah, als hätte er mindestens vier Generationen von Katzen als Spielzeug zum Krallenschärfen gedient.
Unterhalb dieses Lappens, dessen Charme jeden Sammler antiker Putzlumpen in ein freudiges Delirium gestürzt hätte, befand sich eine verwaschene Blue-Jeans, darüber der Kragen eines weißen Hemdes, von dem besagte Krawatte herab baumelte und darüber wiederum ein lächelndes Gesicht mit Grübchen und den unverschämt blauesten Augen, die Dir je begegnet waren und deren Scheinwerferwirkung noch von seinem struppigen schwarzen Haar unterstrichen wurde.
„Du siehst super aus“, bemerkte der Lächler und streckte den Zeigefinger der rechten Hand, in der er ein Glas mit einer seltsam aussehenden Flüssigkeit hielt, aus, um auf das „S“ auf Deiner Brust zu zeigen.
Das war ein ziemlich banaler Spruch, aber jeder Mann, der so aussash und eine solche schmelzende Zartbitterstimme hatte, hätte Dich auch mit einer Frage nach der Uhrzeit bezaubert, erst recht in jenem Zustand geistiger Auflösung, in dem Du Dich zu dieser Zeit bereits befandest.
„Danke“, gabst Du zurück, „du aber auch, Tweety.“
„Sylvester“, korrigierte er, „oder findest du, ich sehe wie ein kleiner gelber Vogel aus?“
„Ja ….“, begannst Du in vollem Bewusstsein der Peinlichkeit dieses Augenblicks, „ … ich meine: nein, natürlich nicht. Es war nur diese Assoziation mit Vögeln ...“, und Dir wurde klar, dass Du gerade dabei warst, es nur noch schlimmer zu machen.
Während sich berechtigte Schamröte auf Deinem Gesicht ausbreitete, hörtest Du eine Stimme, die wie Deine klang, so etwas stammeln wie: „Ich meine, weil mir wohl Katzen nicht so … nahe liegen, also … ich meine, mein Interesse nicht so sehr bei Katzen liegt, eher bei … nein, ich sag' das jetzt nicht nochmal … aber es ist keine Freud'sche Fehlleistung … hoffe ich.“ Dabei warst Du Dir im Klaren, dass diese Hoffnung jeder Grundlage entbehrte.
Der Lächler lachte. Das konnte er ausgesprochen gut. Sein Lachen klang in Deinen Ohren wie das Rauschen einer unbändigen, gleichzeitig aber freundlichen und erstaunlicherweise an dieser Stelle nicht ironischen Naturgewalt. Es umspülte Dich und wärmte Dich und ließ Dich nur noch weiter schmelzen.
Es blieb Dir nichts anderes übrig, als einzustimmen und in der Zwischenzeit hatte Dein umnebeltes Gehirn mit aller verfügbaren Kraft einen Satz ausgeheckt, von dem Du Dir Rettung versprachst und so sagtest Du: „Okay, damit wäre das erledigt. Als nächsten Punkt habe ich auf meiner Liste, diese Orgasmus-Geschichte aus 'Harry und Sally' nachzuspielen … aber das muss nicht hier und jetzt sein.“
„Schade“, sagte er und sein Lachen wurde noch einmal lauter, „ich wäre gern dabei, wenn es so weit ist.“
„Vielleicht lässt sich das ja einrichten“, war die bewusst zweideutige Antwort, auf die ein Anstossen der Gläser folgte. Dann kam er noch etwas näher.
„Also, Sylvester“, fragtest Du ihn, „nun sollte ich wohl Aufklärung über Deine Beziehung zu denen da verlangen.“ Damit zupftest Du ihn an der Krawatte.
„Ehrlich gesagt: Ich hab' damit gar nichts am Hut. Mit diesem Comic-Zeug kenn' ich mich nicht aus. Also hab' ich einen Freund gefragt und der sagte, es gibt diesen Kater namens 'Sylvester' und das passt ja nun zum Anlass. Und die Krawatte zu besorgen, war nicht weiter schwierig … Es lebe das Internet!“
Darauf musstest Ihr anstoßen. Dann war Dein Glas erst eimal leer und das Gespräch entwickelte sich prächtig.
Irgendwann kam er auf den Gedanken, das „S“ auf Seinem Pullover könnte auch für „Sylvester“ stehen und dass dies doch ein beachtenswerter Zufall wäre, auf den anzustoßen sich anböte. Also folgtest Du ihm zu diesem enormen Glasbottich voller Punsch, von dem er behauptete, er hätte ihn persönlich hergestellt. Das Zeug war lecker und süffig und stieg Dir in den Kopf.
Das Nächste, woran Du Dich erinnern kannst, ist, dass Du von zwei Leuten geweckt wurdest, die ihre Mäntel suchten. Einer davon lag unter Dir, mit dem anderen hattest Du Dich zugedeckt. Robert hatte irgendwann, da die Garderobe zu klein geworden war, alles auf sein Bett geworfen. Dort lagst Du nun, während sich der Rest der von den Gästen abgelegten Kleidungsstücke auf dem Boden befand.
Insgesamt warst Du vollständig bekleidet, allerdings fehlte jede Spur von Deinem Pullover … ebenso wie von den letzten drei Stunden und von dem Mann, den Du nur als „Sylvester“ kennengelernt hattest.
Seitdem hattest Du – so vorsichtig wie möglich – versucht herauszufinden, wer er wirklich gewesen war und was wohl in der Zeit, an die Du Dich ums Verplatzen nicht mehr erinnern kannst, vorgefallen war.
Das Dumme an diskreten Nachforschungen ist, dass sie oft gerade durch die Wahrung der gebotenen Diskretion in ihrer Wirkung beschränkt bleiben und nicht sehr weit führen. So auch in diesem Fall. Von Deinen Freunden und Bekannten, die Du unter den verschiedensten Vorwänden nach dem Mann mit der „Sylvester“-Krawatte fragtest, immer darauf bedacht, nicht ihre Neugier zu wecken, konnte sich niemand an diesen Mann erinnern.
Und Robert konnte über den Hersteller des Punchs auch nur sehr vage Angaben machen: es war der Freund eines Freundes gewesen …
Jedenfalls hälst Du Dich seitdem bei Sylvester-Partys zurück, was den Alkohol betrifft, in der stillen, doch bislang unbegründeten Hoffnung, Deinem „Sylvester“ noch einmal zu begegnen. Wobei Du weder wirklich weißt, ob Du das tatsächlich möchtest, noch was bei einem solchen Zusammentreffen geschehen sollte.
Vielleicht sollten manche Fragen für immer unbeantwortet bleiben. Und vielleicht gehört die nach den Geschehnissen der Stunden, die in Deinem Gedächtnis gelöscht sind, einfach dazu. Vielleicht war ja der Sinn dieser Begegnung schlichtweg der, Deinem Leben ein Geheimnis zu verleihen … und in Dir den guten Vodratz reifen zu lassen, mit Punsch etwas vorsichtiger umzugehen.
Text von Herbert Jost-Hof
Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgt hier nun zwei Rezepte, eines davon vegan.
Eierpunsch mit und ohne Umdrehung
Zutaten für 4 Portionen
1 Flasche Eierlikör
1 Liter Apfelsaft
½ Flasche Wein, weiß
1 Schuss Orangensaft
2 Vanilleschote(n), das Mark
4 Stange/n Zimt
8 Lorbeerblätter
8 Nelke(n)
8 Anis (Sternanis)
1 Glas Rohrohrzucker
1 Becher Schlagsahne
Zubereitung
In einen Topf den Weißwein, in einen anderen Topf den Apfelsaft schütten. In jeden Topf je die Hälfte der Gewürze geben. In den Erwachsenentopf den Eierlikör (komplette Flasche) und einen Schuss Orangensaft schütten, in den Kindertopf nur einen guten Schuss Orangensaft. Beide Flüssigkeiten erwärmen, aber nicht kochen lassen.
Ein leeres Marmeladenglas mit Rohrohrzucker füllen, dazu die ausgekratzten Vanilleschoten geben. Da habt ihr später selbst gemachten Vanillezucker. Sahne schlagen und mit dem Vanillezucker abschmecken. Den Punsch durch ein Sieb in Gläser füllen, Sahne drauf.
Arbeitszeit: ca. 30 Min.
Jahresabschlusspunsch
Zutaten für 1 Portion
1 kg Bio Orange(n)
4 Bio Zitrone(n)
1 ½ Liter Tee, schwarzer
1 Stange/n Zimt oder
n. B. Glühweingewürz
2 Liter Bio Rotwein
2 Liter Bio Weißwein
1 Flasche Rum (54 %), 0,7 l, evtl. weniger
evtl. Schnaps - Reste nach Wahl
1 Flasche Sekt
n. B. Rohrohrzucker
Zubereitung
Zuerst wird der Tee zubereitet. Währenddessen werden die Zitronen und Orangen ausgepresst und durch ein Sieb in den Topf gegossen, um das Fruchtfleisch aufzufangen. Über einer Schüssel abtropfen lassen und den aufgefangenen Saft auch in den Topf geben. Die Zimtstange oder das Glühweingewürz zugeben.
Dann kommen nacheinander Tee, Rotwein, Weißwein und der Rum zum Saft. Das Ganze erhitzen, aber aufpassen, dass es nicht kocht. Wenn das Ganze etwa 15 Min. gezogen hat, wird mit Rohrohrzucker abgeschmeckt und mit dem Sekt aufgegossen.
Wer möchte, kann den Rum entweder durch Schnapsreste, die sich übers Jahr angesammelt haben, ersetzen oder diese zusätzlich zum Punsch geben. Bitte den Punsch nicht unterschätzen - er ist sehr süffig und geht rasch ins Blut ...
Die leeren Flaschen nicht wegwerfen. Der Punsch kann abgekühlt in die Flaschen abgefüllt werden und ist gut verschlossen einige Zeit haltbar.
Arbeitszeit: ca. 45 Min.