Liebe geht DOCH durch den Magen: Eiszeit
Archivmeldung vom 07.07.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Sommer ist da. Und mit ihm die „Eiszeit“ - es geht doch nichts über leckeres Speiseeis, allein oder mit anderen. Aber was, wenn in einer Beziehung „Eiszeit“ herrscht? Kann man mit Schokoladeneis frostige Gefühle auftauen …?
Du trägst eine Sonnenbrille mit Gläsern im Format der Schaufenster eines Möbelhauses, die Karl Lagerfeld alle Ehre machen würde. Ihre Tönung verläuft von oben nach unten – wie passend, denn „verlaufen“ ist das Motto des Tages: es ist das, was mit dem Eis geschieht, das vor Dir steht, wenn Du nicht fleißig weiter löffelst. Und es ist das, was mit Dir selbst geschehen ist. Du hast Dich verlaufen. Nicht in dieser Stadt, die Du lange und gut genug kennst, weshalb sie Dich nicht mehr wirklich überraschen kann, sondern in Deinem Leben, das Du ebenfalls lange und gut kennst, weshalb es Dich – und das ist das Problem – auch nicht mehr wirklich überraschen kann.
Du bist auf der Flucht. Deshalb versteckst Du Dich. Irgendwie bist Du heute so etwas wie eine Stecknadel, eine VERstecknadel, aber eine kluge, die sich geschickterweise nicht in einem Heuhaufen verbirgt, sondern zwischen anderen Nadeln (sprich: Menschen) … und eben hinter den Gläsern einer Sonnenbrille, die so entsetzlich auffällig ist, dass sie fast schon wieder dezent wirkt. Das richtige Zubehör für eine Spionin. Nur bist Du keine solche. Agenten sind Geheimnisträger. Du hingegen trägst oben geblümt und unten weißen Rock, daran ist nichts Geheimnisvolles. So wie an Deinem ganzen Leben.
In dem wirklich schönen Glaspokal, der vor Dir steht, vermischt sich unter Einfluss der Sommerhitze Stracciatella mit Schokolade. Da Du es sowieso nicht verhindern kannst, rührst Du, leicht genervt, alles ineinander. Irgendwie scheint das passend für Deine Stimmung: es ist wieder einmal alles zusammengekommen, alles, woran Du nicht denken magst, alle Dinge, die Dich – jedes für sich und Stück für Stück – frustrieren, weshalb Du sie normalerweise verdrängst, in eine Ecke schiebst. Da türmen sie sich auf, da rutschen sie langsam zusammen, da bilden sie einen großen Klumpen, der dann irgendwann überraschend vor Dir erscheint, wenn Du Dich dummerweise verläufst und an dieser Stelle ankommst, die eine Sackgasse geworden ist, weil Du sie mit all dem unangenehmen Ramsch versperrt hast.
Es handelt sich dabei überwiegend um Beziehungsmüll. All diese „Wir-sollten-darüber-reden“-Geschichten, die zu Geschichte werden, weil dann doch niemals darüber auch nur ein Wort bewusst verloren wurde. Da sind sie: Irritationen und Enttäuschungen, verpackt in gute Absichten, die Absichten blieben, oder in Selbstbetrug und verschnürt mit der Angst vor dem falschen Moment. Da sind sie und mit einem Mal blockieren sie den Weg in die Zukunft, so dass Dir nichts als die Flucht in die Vergangenheit bleibt.
Es ist Eiszeit in Deinem Leben, konstatierst Du. Dann siehst Du Dich vorsichtig um, ohne dabei den Kopf merklich zu bewegen. Nein, keiner beobachtet Dich, keiner weiß etwas … natürlich nicht. Was für ein lächerlicher Gedanke!
Du schämst Dich ein wenig vor Dir selbst. Das annähernd verflüssigte Speiseeis tröstet Dich ein wenig und Du erlaubst dem wunderbar süßen Geschmack, Dich davonzutragen in die einzige Richtung, die Dir offen steht: zurück.
Es gibt nicht wirklich eine Verbindung zwischen diesem Eis und dem, was Deine Mutter im Kühlschrank zuzubereiten pflegte, als Du noch ein Kind warst und das ebenfalls die Bezeichnung „Schokoladeneis“ trug. Es wurde mit Hilfe eines Pulvers hergestellt, mit echter Milch, das heißt: mit Kakao und Deine Mutter füllte die Mischung in die Metallform für die Eiswürfel, die nach Entfernung des Kunststoffeinsatzes einfach nur noch ein flaches, eckiges Behältnis war. Und nach einer gewissen Zeit war diese Masse dann im Gefrierfach erstarrt und schmeckte nach … naja, nach irgend etwas, nicht wirklich nach Schokolade. Aber es war Eis, denn wenigstens stimmte die Temperatur.
Jahre später, als Du zur Schule gingst, führte Dich Dein Weg täglich vorbei an dem Kiosk, an dem es auch Speiseeis aus eigener Herstellung gab. Nur drei bis vier Sorten: Vanille, Nuss und Schokolade, manchmal Orange, das aber war zu wässerig für Deinen Geschmack. Die Kugel kostete zehn Pfennige und Du durchsuchtest im Sommer immer alle Schubladen und die Garderobe Deiner Eltern, um einzelne Pfennige zusammenzukratzen für ein weiteres leckeres Eiserlebnis. Eine Kugel in der Tüte, die Du mit der Zunge und mit heftigem Blasen irgendwie tatsächlich bis auf den spitzen Boden der Waffel verteiltest … Schokoladenvergnügen bis zum letzten Bissen.
Und dann, Jahre später hatte er Dich zu einem Eis eingeladen. So hatte alles angefangen. Zumindest in Deiner Erinnerung, die alle vorausgegangenen, weniger interessanten und weniger schmackhaften Momente schlichtweg aus Deinem Gedächtnis gelöscht hat.
Er hatte so gut ausgesehen …! Ihr hattet beide sehr gut ausgesehen. Zumindest bis zu dem Moment, an dem er sich seine weiße Jeans bekleckert hatte … und er darüber völlig außer sich geraten war. Eigentlich war seine Reaktion nur lächerlich gewesen. Aber Du hattest sie so süß gefunden. Dass jemand, der so überlegen scheint, sich so anstellen konnte … und er war puterrot geworden und hatte sich dafür geschämt. In diesem Augenblick hattest Du gewusst, dass Du ihn liebst. Ja, so ist das eben: Wir bewundern andere für ihre Stärken, aber wir lieben sie für ihre Schwächen.
Du stellst fest, dass Du lächelst, wenn Du daran denkst. Und dass da immer noch dieses warme Gefühl in Dir ist. Warum liebst Du seine Schwächen heute nicht mehr? Was ist in der Zwischenzeit geschehen?
Dann fällt Dir ein, dass Du schon vor längerer Zeit und immer wieder einmal die Idee hattest, selbst Speiseeis herzustellen für Euch beide, gewissermaßen in Erinnerung an diesen bedeutsamen Moment Eurer gemeinsamen Geschichte. Und Du erinnerst Dich sehr gut an das letzte Mal, als Du ernsthaft mit diesem Gedanken spieltest und dann wieder irgendetwas geschah, etwas, dass so belanglos war, dass Du es vergessen hast, dass Dich aber damals auf den Gedanken brachte, ihm ein Eis mit Essig- oder irgendeinem anderen wenig erfreulichen Geschmack zu servieren. Der einzige Grund, warum Du es nicht wirklich tatest, war die Befürchtung, dass er es vielleicht gar nicht merken würde. Denn schließlich schien er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wirklich wahrzunehmen, was Du für ihn tatest, in keiner Weise.
Das macht Dich traurig und wütend. So entwickelst Du einen Plan, den vermutlich nur eine Frau aushecken kann und den wohl nur eine verzweifelt liebende Frau in die Tat umsetzen würde: Ja, Du wirst Eis machen für Euch beide, aber richtiges, leckeres Eis. Schokoladeneis – so hinreißend und verführerisch, dass er nicht widerstehen kann. Du wirst ihn damit überraschen. Und Du wirst diesen weißen Rock tragen und Du wirst dafür sorgen, dass etwas von diesem unendlich himmlischen Eisgenuss auf Deinem Rock landen wird, nur ein kleines bisschen … und Du wirst Dich genauso anstellen, wie er es seinerzeit wegen seiner Hose getan hat und wirst ihm damit die Möglichkeit geben, Dich zu trösten … Dich zu trösten und sich zu erinnern und zu zeigen, ob er noch der Mann sein kann, der er einmal war. Und wenn ja, wird alles gut werden. Und wenn nein … Aber warum soll es denn nicht gut verlaufen? „Verlaufen“ ist schließlich das Motto des Tages. Und es ist Eiszeit ...
Text von Herbert Jost-Hof
Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgt hier nun das Rezept (das Zweite ist auch veganer).
Schokoladeneis (ohne Eismaschine)
Zutaten für 4 Portionen
375 ml Milch
125 ml Sahne
80 g Schokolade, bittere (Edelsahne)
40 g Schokolade (Vollmilch)
3 EL Kokosmilch - Pulver
5 EL Zucker
2 EL Schokoladenraspel (Schokosplitter)
1 EL Rum
2 EL Kakaopulver
Zubereitung:
Die Schokolade unter Rühren in der Milch schmelzen, Zucker, Kakao und Kokosmilchpulver mit einem Schneebesen unterrühren. Die Sahne steif schlagen und mit dem Rum unter die Schokomilch rühren. Die Creme in einer Metallschüssel in das Gefrierfach stellen und alle halbe Stunde umrühren. Wenn die Masse bereits recht steif geworden ist, die Schokosplitter unterrühren. Je öfter umgerührt wird, desto cremiger wird das Eis und umso besser ist es später zu portionieren. Mindestens 5 mal umrühren sollte man es auf jeden Fall. Danach zur Aufbewahrung in eine Gefrierbox mit Deckel einfüllen.
Funktioniert auch prima mit laktosefreien Milch- und Sahneprodukten, falls man auf solche Produkte angewiesen ist!
Arbeitszeit: ca. 15 Min.
Ruhezeit: ca. 5 Std.
Schokoladeneis am Stiel - vegan
Zutaten für 3 Portionen
340 g Tofu (Seidentofu)
120 g Zucker
60 g Kakaopulver
1 EL Öl
½ TL Vanille
1 Prise Salz
Zubereitung
Alle Zutaten in einem Mixer oder einer Küchenmaschine vermischen und in Eisbehälter füllen, Stiele einstecken und gefrieren lassen.
Gut geeignet für Kinder und natürlich auch Erwachsene mit Milchallergie.
Arbeitszeit: ca. 5 Min.
Ruhezeit: ca. 3 Std.