Liebe geht DOCH durch den Magen: Ein Wintermärchen
Archivmeldung vom 16.02.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.02.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer sich am Valentinstag vielleicht geärgert hat, weil er (oder sie) allein war, sollte nicht vergessen, dass sich überall Gelegenheiten bieten, die/den Richtige/n kennen zu lernen. Ja, bestimmt: es gibt sie noch, die Märchen, die wahr werden. Auch im Winter.
Wer hat den Valentinstag eigentlich erfunden? - Vermutlich die Floristen. Oder die Hersteller von Schokoladenherzen.
Ja, natürlich: Warum soll man denn dem Menschen, den man liebt, nicht etwas schenken und ihm sagen, was man empfindet? Klar, los doch … macht doch! Und wegen Dir jeden Tag … Das muss man doch nicht organisieren … Ist doch sowieso alles Kommerz hier!
Und damit war der Fall für Dich erledigt.
Eigentlich hast Du nichts gegen die Idee des Valentinstags und Du hast nichts gegen Verliebte, die einander etwas schenken. Im Gegenteil: Du hättest es selbst getan. Wenn da jemand gewesen wäre, den Du hättest beschenken können. Aber da war gerade niemand. Und daher fandest Du das alles nur doof und kommerziell und überflüssig, vorwärts wie rückwärts und von allen Seiten.
Herzchen, Bussis, Smileys – im Computer, auf dem Display von Telefonen, in Anzeigen, auf Plakaten, das verzückte Geplapper von mehr oder minder kleinen Mädchen im Bus … Es hing Dir wirklich zum Hals heraus an diesem Donnerstag, diesem 14. Februar. Und so hattest Du beschlossen, unleidlich zu sein. Wenn der Rest der Welt Dich nervte, dann wolltest Du eben zurück nerven. Das war nicht wirklich ein guter Plan, aber immerhin war es einer – sogar einer, der über den Tag hinausreichte. Denn wenn Du schon beschließt, miese Laune zu haben, dann reicht sie für mindestens zwei Tage.
Das Universum ist manchmal komisch. Manchmal aber auch nicht. Zum Beispiel, wenn es Kometensplitter regnen lässt und Menschen verletzt werden. Das ist alles andere als lustig. Noch weniger lustig fandest Du allerdings das hysterische Gerede dieser Frau am Nachbartisch. Hättest Du nicht noch von der aggressiven Stimmung des Vortags gezehrt, sie hätte Dir garantiert zu selbiger verholfen.
„Wenn da nur nichts passiert“, sagte sie zum gefühlten zwanzigtausendsten Mal. Ihre Stimme war leise und gedämpft, so als befürchtete sie größtes Unheil heraufzubeschwören, würde sie in normaler Lautstärke sprechen.
Bis dahin hatte sie fast ununterbrochen vor sich hin gebrabbelt. Du hattest zu ihren Gunsten angenommen, dass sie nicht allein schräg hinter Dir an diesem Tisch saß … aber es hätte Dich nicht überrascht, wenn sie mit sich selbst gesprochen hätte. So sehr Du Dich auch bemühtest, es gelang Dir nicht wirklich, sie auszublenden, obwohl – oder vielleicht gerade weil – sie fast flüsterte. Daher überlegtest Du, ob Du Dich zu ihr umdrehen und ihr einen Insektenblick schenken solltest, also diese Art von Blick, mit der man die Fliege betrachtet, die sich auf der geschälten Banane niedergelassen hat, in die man gerade beißen wollte.
Nein, sagtest Du Dir, ich werde ihr nicht auch noch so viel Aufmerksamkeit zukommen lassen. Die hat es nicht verdient. Damit nahmst Du den vorletzten Schluck aus Deiner Kaffeetasse.
„Ich weiß ja nich'“, murmelte die höchst gesprächige Dame nun, „SIE sind ja ohnehin Vegetarier oder sowas. Aber ich ess' schon Fleisch. Aber Pferd … igitt! Als Kind wollte ich immer ein Pferd haben. Sowas isst man doch nich'. Wo kommen wir da hin? Aber immer nur Gemüse und so ….“, hier brach sie ab. Vermutlich schüttelte es sie … oder sie zumindest ihren Kopf. Es war Dir egal. Nur jetzt war klar, dass da noch jemand sein musste. Und gleich darauf hörtest Du auch seine Stimme. Zum ersten Mal: „Ich würde mir da keine Gedanken machen, Frau Siebziger … jedenfalls nicht, solange Sie keine tiefgefrorene Lasagne lutschen wollen.“
Es war ein Mann, der da sprach. Nicht so leise wie die Frau, aber auch nicht laut. Sein Tonfall war eher gleichgültig als mokant. Aber diese Stimme, seine Stimme … die hatte etwas ... etwas, das mit einem Mal Deine Vorsätze beiseite wischte und Dich geradezu dazu zwang, Dich umzudrehen.
Diese Frau, die er „Siebziger“ genannt hatte, war erstens sehr viel jünger, als Du sie Dir vorgestellt hattest und zweitens sehr viel bunter. Vor allem die Farbe auf ihren Lippen, die nun an einem Trinkhalm saugten, war fast blendend.
Trotzdem nahmst Du sie kaum zur Kenntnis. Der Mann, zu dem diese höchst angenehme Stimme gehörte, war viel interessanter: irgendwo zwischen 35 und 45, leger aber geschmackvoll gekleidet, kurzes Haar, Brille … und dahinter ein paar silbergrauer Augen, wie Du sie noch nie vorher gesehen hattest.
Nun richtete er sie auf seinen Teller, auf dem irgendwelche grünen Blätter lagen, während die Frau nur noch ein schlurfend-schnorcheliges Geräusch produzierte, da sie alle Flüssigkeit aus ihrem Glas bereits aufgesaugt hatte.
Sie stellte es beiseite und meinte vorwurfsvoll: „Sie nehmen mich nicht ernst. - Bitte sehr. Ist auch egal. Ich muss jetzt ohnehin gehen.“
Sie ruckte mit dem Kopf herum, als suchte sie irgendetwas und bemerkte plötzlich, dass Du Dich umgewandt hattest. Also sah sie Dich an … doch Du sahst sie nicht an. Dieser Umstand schien sie zu ärgern. Sie griff eine leicht unförmige Tasche, die neben ihr auf dem Stuhl stand und erhob sich mit der dramatisch klingenden und nun auch um Einiges lauteren Bemerkung „Dann geh' ich jetzt.“
Die silbernen Augen blickten zu ihr auf. Nur einen Moment, denn dann sahen sie zu Dir herüber. „Bis Montag“, sagte die Stimme, die zu den Augen gehörte und der Mund, aus dem diese Stimme kam, lächelte. Das galt Dir. Und es war der schönste Mund mit dem schönsten Lächeln, das Du je gesehen hattest.
Vielleicht machte diese Frau Siebziger noch irgendeine Bemerkung, vielleicht auch nicht. Es war Dir egal. Wichtig war nur, dass sie verschwand. Und das tat sie.
Irgendwie war plötzlich alles anders als zuvor, in eine Art Watte gepackt, die jedes Geräusch dämpfte. Und Du konntest nur dieses Lächeln sehen.
Es kam Dir unendlich lange vor, bis Du etwas sagtest. So lange, dass es schon peinlich gewirkt haben musste, wie Du ihn anstarrtest. Was sagt man in einer solchen Situation?
„Was ist das da?“ war alles, was Dir einfiel.
„Was ist was?“ Das Lächeln schwand nicht. Die silbernen Augen strahlten Dich an.
„Das Grüne da. Auf Ihrem Teller“, hörtest Du jemanden sagen und begriffst, dass Du es warst, der sprach.
„Rapunzel.“
„Bitte?“ Du warst Dir nicht sicher, richtig gehört zu haben.
„Feldsalat“, erklärte der Lächelnde, „heißt auch 'Rapunzel'. So wie das gleichnamige Märchen. - Das hier nennt sich, glaube ich, 'Frischer Winterteller' oder sowas.“
„Ah …!“ Mehr fiel Dir im Moment nicht ein, dann hängtest Du schnell an: „Ist das gut?“
Dein Gegenüber nickte.
„Dann versuch ich's auch mal, glaube ich“, und im selben Moment hob der Andere schon den Arm und wedelte die Bedienung herbei.
„Haben Sie Angst vor Kometen, Asteroiden und solchem Zeug?“ fragte er dann.
„Nein, nicht dass ich wüsste.“
„Gut, dann setzen Sie sich doch zu mir … wenn Sie wollen.“ Das war eine Einladung – was Dich gleichzeitig erschreckte und begeisterte.
„Warum“, fragtest Du und erwischtest mit dem zweiten Griff Deine Jacke, die über der Stuhllehne hing, „sind Sie einer … ich meine, ein Komet oder Asteroid …?“ Das war nun wirklich blöd und Du hattest den dringenden Wunsch, in der Erde zu versinken, als Du vorsichtig damit begannst, Dich an seinem Tisch einzurichten.
„Nein“, er lachte, „ich denke nicht, dass ich sowas Himmlisches an mir habe ...“
Doch, dachtest Du, doch hast Du, unbestritten!
„Es ist nur“, fuhr er fort, „weil meine Kollegin offenbar das Ende der Welt gekommen sieht – von oben ….“ Er unterbrach sich, weil die Bedienung inzwischen eingetroffen war.
„Oh ...“, Du unternahmst den nicht besonders gelungenen Versuch, ihr Deine Aufmerksamkeit zu widmen und sagtest nachdrücklich: „Ich will den da!“ Und in der Hoffnung, dass diese Freud'sche Fehlleistung unbemerkt geblieben war, schobst Du eilends hinterher: „Den Salat. Das Grüne. Das da“ und Dein Finger zeigte auf den Teller des Mannes gegenüber, der erklärend ergänzte: „Rapunzel.“
„Genau“, bestätigtest Du, „Rapunzel.“ Und dann musstest Du ihn anstrahlen und hinzufügen: „Wie im Märchen.“
Draußen hatte es begonnen zu schneien, sehr langsam, sehr fein. „Ein Wintermärchen“, dachtest Du. Für einen kurzen Moment schoss Dir durch den Kopf: Hätte das nicht vierundzwanzig Stunden vorher passieren können? Dann hättest Du den Valentinstag mit anderen Augen gesehen.
Aber dann: Ist das wichtig?
Und sagt man nicht: Dem Glücklichen schlägt keine Stunde?
Text von Herbert Jost-Hof
Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgen hier nun zwei Rezepte, eines davon vegan.
Rapunzelsalat
Zutaten für 4 Portionen
150 g Feldsalat / Rapunzel
1 Handvoll Champignons, frische
1 kleine Zwiebel(n), rot, fein gehackt
6 Walnüsse, in kleine Stücke gehackt
80 ml Sahne
2 EL Öl (französisches Walnussöl), aus gerösteten Walnüssen
1 TL Zitronensaft
1 TL Essig (französischer Walnussessig)
3 Prisen Meersalz
Pfeffer
80 g Schinken (Serrano)
Zubereitung
Feldsalat bzw. Rapunzeln gründlich verlesen und waschen. Die Champignons putzen und in feine Scheiben schneiden. Die Zwiebel fein hacken. Die gehackten Walnüsse evtl. kurz in der Pfanne rösten. Aus der Sahne, den übrigen Zutaten und den übrigen Gewürzen eine Sauce anrühren. Abschmecken, evtl. nach Geschmack noch säuerlicher machen. Alles vermengen und unterheben. Den Serranoschinken (falls er überhaupt erwünscht ist) in Streifen schneiden und entweder mit untermischen oder obendrauf streuen.
Arbeitszeit: ca. 15 Min.
Feldsalat (vegan)
Zutaten für 2 Portionen
350 g Feldsalat, (Rapunzel)
200 g Kirschtomate(n)
250 g Champignons
3 Schalotte(n)
1 Knoblauchzehe(n)
Für die Marinade:
1 Granatapfel
2 EL Balsamico
1 EL Olivenöl (kaltgepresst)
Meersalz und Pfeffer
Kräuter (Petersilie, Schnittlauch, Kresse)
Zubereitung
Den Granatapfel halbieren und die Fruchtkerne herausnehmen. Die Kerne in eine Schüssel geben und vorerst beiseite stellen.
Den Feldsalat und die Tomaten waschen und trocken tupfen. Die Champignons mit einer Büste sauber reiben.
Feldsalat in Stücke rupfen und in eine Schüssel geben. Tomaten vierteln, Champignons in feine Streifen schneiden und beides ebenfalls in die Schüssel geben.
Die Schalotten sowie den Knoblauch schälen und alles in sehr feine Würfel schneiden und zu den Granapfelfruchtkernen geben.Mit Meersalz, Pfeffer, Kräutern, Olivenöl und Balsamico-Essig würzen und gut verrühren.
Marinade nun über den Salat geben und alles gut vermischen. Etwas ziehen lassen und servieren.
Arbeitszeit: ca. 20 Min.