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Liebe geht DOCH durch den Magen: Kompromittierendes Gemüse – oder Freud in der Küche

Archivmeldung vom 02.06.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.06.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Grafik: Herbert Jost-Hof
Grafik: Herbert Jost-Hof

Wer in der Vorbereitung auf eine Einladung zum Abendessen mit dem Chef des Ehemannes schon fast seine Ehe aufs Spiel gesetzt hätte bei der Klärung der Kleiderfrage, der wird zur Vorbereitung für den Gegenbesuch im eignen Heim entsprechend vorsichtig sein und lieber Rat einholen. Aber ist eine Psychologin in diesem Fall die geeignete Ansprechpartnerin?

Es war bereits abzusehen und schließlich nur eine Frage der Zeit. Also bist Du nicht wirklich erstaunt von Kurt, Deinem Mann, zu erfahren, dass sein Chef nebst Gattin in einer Woche bei Euch zu Gast sein werden.

Nein, erstaunt bist Du nicht. Aber glücklich bist Du deswegen auch nicht gerade. Es wird der Gegenbesuch der beiden in Eurem Hause sein ... und Dir sind schließlich noch die Strapazen des ersten gemeinsamen Abendessens in schrecklichster Erinnerung: der Perfektionismus (oder war es eher Konformismus?) Deines Gemahls hatte Wellen geschlagen bei dem Gedanken, es seinem ästhetisch angeblich so anspruchsvollen Chef recht zu machen und irgendwann war es über der Frage, ob man mit einem tabakbraunen Anzug and einem Esstisch aus Kirschbaumholz sitzen kann, fast zum Ende Eurer Beziehung gekommen – absolut überflüssigerweise, wie sich herausstellte, denn das vermeintliche Kirschbaumarrangement gab es gar nicht, auch wenn Kurt das aufgrund der Büroeinrichtung seines Vorgestzten erwartet hatte.
Nicht alle Männer sind, wie sich wieder einmal erwiesen hat, so vorhersehbar wie der, den Du abbekommen hast. Und Du hast es lange aufgegeben, entscheiden zu wollen, ob Du Dich deshalb nun als besonders gesegnet oder eher als gestraft betrachten solltest.

Diesmal wird alles gut gehen. Die in Eurem Hause dominierenden Farben sind bekannt und es ist nicht schwer, den im gleichen Gebäude nach eigener Meinung dominierenden Mann so einzukleiden, dass er den positiven Gesamteindruck zumindest durch seine bloße physische Präsenz nicht weiter sabotieren kann.
Hinsichtlich der Tischgespräche hast Du auch einige Anregungen aus der ersten Begegnung mit dem anderen Paar mitgenommen. Das sollte ausreichen, schlimmere Pannen entweder ganz zu vermeiden oder – sollte das nicht gelingen - sie situativ zu umgehen.

Nun stellt sich also nur noch die Frage, was Du zu diesem freudigen Anlass in der Küche zaubern willst. Auch diesbezüglich hast Du schon vorgefühlt und weißt in etwa einzuschätzen, was den Gästen schmecken dürfte.
Es sollte etwas Frisches sein, etwas, das gerade aus dem Garten kommen kann und natürlich auch etwas, das man nicht jeden Tag hat.

Um ganz sicher zu gehen, willst Du die Angelegenheit vorsichtshalber mit Deiner besten Freundin besprechen. Rosi ist in mehrfacher Hinsicht die geeignete Person: erstens ist sie von Beruf Psychologin und Du bist sicher, dass es nicht schaden kann, nach den erwähnten und Dir noch bestens erinnerlichen Problemen des ersten gemeinsamen Essens eine Fachfrau für alle Arten außerordentlicher Seelenzustände um Rat zu ersuchen. Zweitens versteht Rosi nicht viel vom Kochen, dafür aber umso mehr vom Essen und ist so auch fürs Kulinarische eine ernstzunehmende Quelle der Weisheit … und/oder guten Appetits.

Die Sonne scheint und ihr sitzt auf der Veranda. Du reichst selbsgemachte Gebäck und nach einer Einleitung, in der Ihr Euch gegenseitig auf den neuesten Stand hinsichtlich der Männer, Kinder und Einkäufe gebracht habt, kommst Du auf das bevorstehende Ereignis zu sprechen. Dabei fasst Du – um die Bedeutung dieser Einladung deutlich zu machen – noch einmal die dramatische Vorgeschichte des ersten gemeinsamen Essens zusammen, schilderst dann Deine Vorsichtmaßnahmen für das Gelingen dieses Beisammenseins, die auch seitens der Psychologin Anerkennung erfahren. Und dann kommst Du zur vorgesehenen Speisenfolge.

“Spargel”, sagst Du in aller Unschuld und noch von der Klugheit dieser Wahl überzeugt, “ich dachte, das ist gerade angesagt und außerdem nicht ganz billig. Zeigt also, dass wir etwas zu bieten haben und den Aufwand nicht scheuen.”
“SPARGEL …!”, wiederholt Deine Freundin und den Tonfall, in dem sie das tut, hast Du von einer anderen Person an einer gänzlich anderen Stelle schon einmal vernommen: Es war eine Schaupielerin auf der Bühne, die in einer Inszenierung von Wildes “Bunbury” die Lady Bracknell gegeben hatte.
Als sie von Jack erfahren hatte, dass man ihn einst als Baby in einer Handtasche im Bahnhof ausgesetzt gefunden hatte, hatte sie in exakt derselben Weise wiederholt: “In einer Handtasche?” und damit zu gleichen Teilen äußerstes Erstaunen und tiefste moralische Entrüstung zum Ausdruck gebracht.
Weder das eine noch das andere scheinen Dir im Zusammenhang mit Deiner Speisenplanung angemessen, also fragst Du Deinerseits: “Was ist so furchtbar an Spargel?”

Bevor Rosi auch nur ein Wort sagt, ist da erst einmal dieser Blick, der Dir deurlich zeigt, dass sie diese Frage für ausgesprochen dumm erachtet.
“Ich BITTE Dich”, antwortet sie schließlich und rückt sich in ihrem Kobstuhl in Positur, “SPARGEL … braucht man da viel Phantasie?”
“Phantasie? Keine Ahnung. Aber eine Buttersoße. Oder nicht?” Ist Deine Antwort und die ist eindeutig mehr als falsch, denn jetzt bekommst Du auch noch ein Kopfschütteln angeichts Deiner Begriffstutzigkeit ab.
“Du tust doch nur so, oder? Ich meine: Du weißt doch ganz genau, wovon ich spreche?”

Nein, das weißt Du nicht. Und irgendwie beschleicht Dich das Gefühl, Du willst es auch gar nicht wissen. Aber es ist zu spät, denn Rosi fährt bereits fort: “Gibt es denn, bitte sehr, Deiner Kenntnis nach ein phallischeres Gemüse als verdammten Spargel? Und ist es das, was Du Kurts Chef anbieten willst: sexuell aufgeladenes, kompromittierendes Gemüse?” Rosi holt tief Luft: “Man muss doch nicht mal Freud gelesen haben ...”

An dieser Stelle wird es Dir eindeutig zu viel: “Freud kommt mir nicht in meine Küche. Der hat da nichts verloren. Meine Küche ist ein komplett psychoanalysefreier Raum, okay? Kein Sofa, keine Psychoanalyse. Nur Stühle, Essen und Trinken.”
“Bitte”, winkt Deine Freundin beleidigt ab, “Du hast mich gefragt.”
“Ja, Dich. Und nicht Freud. Und zwar, weil ich dabei nicht erwartet habe, dass Du mir irgendwas in mein Gemüse interpretierst, was da nichts zu suchen hat. Das ist doch krank.”

“KRANK?” Rosis Stimme wird schrill und ihr Mund wird spitz.
“Du bist ja schlimmer als Kurt mit seinem ästhetischen Knall. Kann man denn kein normales Abendessen haben … oder auch nur darüber sprechen?”
“Entschuldige mich”, schnauft Rosi beleidigt und steht auf, sichtlich verärgert darüber, dass ihre Serviette, die sie gerade mit einer schwungvollen Bewegung aus dem Handgelenk auf den Tisch geworfen hat, dort nicht irgendein knallendes Geräusch verursachen kann, “Ich denke ich sollte jetzt gehen und mich um Menschen kümmern, die meine Meinung zu schätzen wissen.”
Und bevor Du sie aufhalten kannst, ist sie entschwunden.

Du bist Deinerseits verstimmt. Aber irgendwie auch verunsichert. Hat Rosi am Ende sogar recht oder ist sie einfach zum Opfer ihres Berufs geworden?
Und wenn kein Spargel, was dann? Gibt es denn psychoanalytisch ungefährliches Gemüse?
Karotten? - Ganz gewiß nicht.
Erbsen? - Vielleicht.
Irgendwie siehst Du Deine Küche mit ganz neuen Augen …

Und als zwei Stunden später Dein Mann nach Hause kommt, begrüßt Du ihn mit den Worten: “Kurt, ohne nachzudenken: Was fällt Dir spontan zu Brokkoli ein?”

Text von Herbert Jost-Hof

Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgt hier nun das Rezept. Selbstverständlich haben wir dabei, neben der "normalen" Variante auch an eine vegetarische Version gedacht.

Spargel mit Buttersauce

Zutaten
Für 4 Personen: 2 bis 2,5 Kg frischen Spargel, ca. 3 Liter Wasser, 1 TL Salz, 1 Prise Zucker, 1 TL Butter oder Öl.
Helle Buttersoße: 40 g Butter, 40 g Mehl, 1/2 Liter heiße Brühe oder Wasser, etwas Suppenwürze, Salz und Muskat.

Zubereitung
1. Spargel zubereiten und kochen:
Spargel waschen und schälen ggf. bündeln. Spargel in das kochende Wasser geben, dem man Salz und Zucker und wenig Butter oder Öl zugegeben hat und kocht ihn - je nach Wunsch - ca. 15-25 Minuten. Anschließend den fertigen Spargel vorsichtig mit einem Schaumlöffel aus dem Wasser heben und auf einer vorgeheizten Servierplatte anrichten.

2. Zubereitung der hellen Buttersauce:
Man zerlässt die Butter. Das Mehl wird unter Rühren so lange darin erhitzt, bis es hellgelb ist. Jetzt wird die Sauce mit heißer Brühe oder Wasser abgelöscht. Salz hinzugeben und ca. 10 Minuten kochen lassen. Zum Schluss mit Salz und Muskat abschmecken.

3. Tipp zum Verfeinern der Sauce: ein nussgroßes Stückchen Butter in die Sauce einschlagen. So bekommt sie ein glänzenderes Aussehen. Auch durch Abrühren von 1 Eigelb oder 1 Löffel Zitronensaft wird die Sauce schmackhafter.

Dazu passt: roher Schinken oder Kalbsschnitzel, Kartoffeln, Rührei oder in Viertel geschnittene hartgekochte Eier.

Grüner Spargel mit Mandel-Basilikum-Butter (Vegetarisch)

Zutaten (2 Portionen):
700 g grüner Spargel
Salz
4 EL Butter
1 EL Zitronensaft
1 Prise Rohrohrzucker
2 EL Mandelblättchen
1 Knoblauchzehe
1 EL gehacktes Basilikum

Zubereitung:

Grünen Spargel waschen, das untere Drittel schälen und in Salzwasser mit 1 Esslöffel Butter, Zitronensaft und Rohrohrzucker ca. 10 Minuten bissfest garen.
Mandelblättchen in einer Pfanne ohne Fett anrösten. Restliche Butter zugeben und schmelzen. Knoblauch zerdrücken und mit Basilikum zufügen.
Spargel auf Tellern anrichten, Mandel-Basilikum-Butter darüber träufeln und lauwarm servieren.

Zu dem Gericht schmecken Salzkartoffeln sehr gut.

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