Liebe geht DOCH durch den Magen: Die Skihütten-Krise, wie sie entstand und warum eine alte Liebe sie überlebte
Archivmeldung vom 15.12.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.12.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittManche Menschen sind füreinander geschaffen. Andere teilen wenigstens die gleichen Vorlieben und Leidenschaften, was durchaus sehr verbindend sein kann … oder auch sehr destruktiv, wenn plötzlich im falschesten Moment Krisen auftreten … und Mütter.
Manche Menschen behaupten ja, die Antwort auf alle Fragen laute „Schokolade“. Andere wiederum halten das für Unsinn. Denn ihrer Ansicht nach lautet die Antwort auf alle Fragen, das Universum und überhaupt alles weder „Schokolade“, noch „42“, sondern schlicht und ergreifend „Marzipan“.
Aus solchen philosophischen Streitereien sollte man sich lieber heraushalten. Aber immerhin kann ich anhand der Geschichte einer guten Freundin namens „Silke“ und ihrer Beziehung zu einem bestimmten Mann namens „Gregor“ einige gute Argumente für die Relevanz von Marzipan für das Liebesleben geschlechtsreifer Großstädter liefern ...
Alles fing erstens harmlos und zweitens sogar viel versprechend an. Gregor war einer von Silkes Kollegen. Einer von denen, so beschrieb sie ihn, die einem nicht sofort ins Auge stechen. Eher so einer, der einen nach circa einem Jahr zu dem Gedanken veranlasst: „Wer sitzt denn da zwischen dem Papierkorb und dem Fenster? War der schon früher da?“ - was wohl nicht für Gregors Attraktivität spricht.
Jedenfalls begann sie in dem Augenblick, in dem sich diese oder eine ähnliche Frage in ihrem Gehirn breit gemacht hatte, unverzüglich mit Gregor eine Konversation. Ist auch verständlich: wer wusste denn, wie lange er da nun wirklich schon saß? Da gab es vielleicht einiges nachzuholen, bevor sein Verfallsdatum endgültig erreicht war.
Erstaunlicherweise entpuppte sich der zuvor lange Missachtete als ein höchst amüsanter Mann und – wie man früher zu sagen pflegte: „ein Scherzwort gab das andere“ - aus dem ersten Gespräch wurde in recht rasantem Tempo ein Rendezvous außerhalb des Büros.
Statistisch gesehen ist das nicht wirklich überraschend. Noch immer werden die meisten Beziehungen – wie bereits bestens bekannt - am Arbeitsplatz angebahnt. Sonst käme dieses Thema ja auch nicht so oft in dieser Kolumne vor.
Es ist eben, wie schon Hannibal Lecter sagte: „Wir begehren, was wir täglich sehen.“ (Ein Gedanke der einem schon das Blut in den Adern erstarren lassen kann, wenn man sich überlegt, welchen Menschen man regelmäßig begegnet – und der daher vielleicht das Schaurigste ist am „Schweigen der Lämmer“.)
Tatsächlich überraschend war hier vielleicht die Geschwindigkeit, mit der dieser sich anbahnende Flirt an Fahrt aufnahm. So bekam er bald auch intime Aspekte. Und es schien hier wie auch auf sämtlichen anderen Ebenen alles einfach bestens zu sein.
Kurz und knapp: Silke und Gregor wurden ein Paar. Diese nicht wirklich epochale Entwicklung (ein ziemlich kleiner Schritt für die Menschheit und ein Sprung ins kalte Wasser für die Beteiligten) vollzog sich vor ziemlich genau zwölf Monaten, also mitten im kalten Winter, wohl zu der halben längsten Nacht des Jahres.
Es kann nur gemutmaßt werden, wie sehr dies letztlich eine Rolle spielte; jedenfalls teilte Gregor nicht nur bald Silkes Bett, sondern überhaupt und generell auch ihre Leidenschaft für Marzipan … und überhäufte sie daher ziemlich vom Anfang ihrer aufkeimenden Liebe an mit selbigem in jeder Dareichungsform und Packungsgröße, ja, er nannte sie sogar zärtlich sein „Matzi-patzi-Mäuschen“, was ihr – je nach Situation – ein Kichern, ein Glucksen, zartes Erröten oder ein leicht verlogenes und sanft gehauchtes „Nicht doch!“ entlockte.
Außerdem waren da wohl noch einige andere Gemeinsamkeiten, die dann um die Weihnachtszeit zur Planung und Durchführung eines gemeinsamen Urlaubs im Schnee führten.
Gregor hatte von Freunden eine Skihütte mieten können, die nach Silkes Beschreibung von außen wie eine Gartenhütte ausgesehen hatte, innen aber die Jodelvariante eines orientalischen Palastes darstellte, mit einem Kamin so groß wie der Tunnel unter dem Ärmelkanal, in dem herrlich harzige Tannenzapfen und kilometerlange Holzscheite verfeuert wurden, die die Kathedralen gleiche Hütte mit würzigen Düften erfüllten.
Nun war der besagte Kamin noch nicht richtig von ihnen angezündet worden, da zeigten sich an Gregor bereits die ersten untrüglichen Symptome einer aufkeimenden Erkältung. Auch das ist nicht wirklich verwunderlich. Wer unter Stress in schlecht klimatisierten Räumen arbeitet, der wird seinen Körper mit frischer Luft und faulem Leben schockieren und sein ohnehin ruiniertes Immunsystem weiter sabotieren.
So mischte sich in das nette Aroma des verbrennenden Holzes bald das von Hustensaft und Kräuterbonbons. Und das heimelige Prasseln des Kaminfeuers wurde übertönt von Gregors Schniefen und Schnäuzen und Röcheln.
Das alles war bedauerlich, war schade und vor allem für den kranken Gregor, der offensichtlich ein Talent dafür besaß, Herz erweichend zu leiden, war es auch nicht sehr angenehm.
Richtig übel wurde die Situation allerdings durch eine höchst unglückliche Verquickung mehrerer Faktoren:
- Gregor war stark verschnupft und das hörte man ihm auch an,
- Gregor besaß ein Mobiltelefon, dass er auch in den Urlaub mitgenommen hatte,
- das Telefon klingelte,
- Gregor beantwortete den Anruf,
- Gregor hatte nicht nur ein klingelndes Telefon und eine Erkältung, sondern auch eine Mutter namens Franziska,
- selbige war am anderen Ende der Leitung und erkannte sofort, dass ihr Sohn krank war und – ihrer Meinung nach – ihrer Hilfe bedurfte, weshalb sie
- wenige Stunden später auf der Matte stand.
Addiert man nun die Punkte eins bis sieben, so ergibt sich daraus eindeutig die Anlage einer Krise und zwar einer, die man getrost als übel bezeichnen kann.
Nun mag eine üble Krise für eine noch junge Beziehung gewiss eine harte Probe sein, wirklich ungewöhnlich wäre das Auftreten einer solchen aber nicht und eine große Liebe ist in jedem Fall in der Lage, dergleichen zu überstehen.
Was Silke und Gregor auseinanderbrachte, waren weitere Umstände. Dazu gehörte sicherlich, dass die eintreffende Mutter des nicht immer still vor sich hin Leidenden Silke nun eigentlich gar nicht leiden konnte … was auf Gegenseitigkeit beruhte. Die Tatsache, dass sie generell eine Nervensäge war und außerdem eine recht miese Köchin, jedoch darauf bestand, alle zu versorgen und Silke nicht einmal in die nähe der Küchentür ließ, machte die Sache nicht besser. Aber irgendwie hätten Silke und ihre Gefühle für Gregor auch das überstanden.
Selbst als die Lage sich zuspitzte, weil durch heftigen Schneefall die Straße zeitweise unpassierbar war, wäre die somit noch bedeutend klaustrophobischere Situation in der Hütte nicht zu einem Problem geworden …. hätte Gregors Mutter nicht die letzten Marzipan-Vorräte allein und heimlich verputzt. Das ging nun wirklich zu weit, brachte das berühmte metaphorische Fass zum Überlaufen und Silke dazu, sich mit gepackten Koffern in ihren Wagen zu schwingen, sobald die Straße wieder befahrbar war und das Weite zu Suchen … das sie auch fand.
Den Rest ihres Urlaubs verbrachte sie schluchzend (denn irgendwie hatte sie Gregor doch gern gehabt), schniefend (denn irgendwie hatte Gregor sie doch angesteckt) und fluchend zuhause, wo sie süßen Trost fand bei mehreren Dutzend Marzipanbroten, die sie noch vor den Weihnachtstagen in einem prophetischen Moment der Klarheit erstanden hatte.
So blieb ihr wenigstens eine Liebe erhalten.
Text von Herbert Jost-Hof
Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgt hier nun zwei Rezepte, eines davon vegan.
Gebackene Marzipanbrote
Zutaten für 14 Portionen
½ Vanilleschote(n)
1 Ei(er)
250 g Bio Marzipan - Rohmasse
85 g Puderzucker
30 g Mehl
1 TL Schlagsahne
1 TL Zitronensaft
Zubereitung
Die Vanilleschote der Länge nach aufschneiden und das Mark herauskratzen. Ei trennen, Eiweiß, Marzipan-Rohmasse, 60 g Puderzucker, Mehl und Vanillemark zu einer glatten Masse verrühren. Mir feuchten Händen kleine Brotlaibe von ca. 4 cm Länge formen.
Auf einem mit Backpapier ausgelegtem Blech verteilen. Eigelb mit der Sahne verrühren und die Brote damit bestreichen. In dem vorgeheizten Backofen (E-Herd: 175 °C / Gasherd: Stufe 2) ca. 20 Minuten backen. Auf einem Kuchenblech auskühlen lassen.
Inzwischen restlichen Puderzucker und Zitronensaft glattrühren. In einen Gefrierbeutel geben, eine kleine Ecke abschneiden und die Brote mit Zuckerschleifen verzieren. Anschließend trocknen lassen.
Tipp: Nur ca. 40 g Puderzucker für die Masse verwenden und auf den Guss verzichten. Dann wird es nicht zu süß.
Arbeitszeit: ca. 30 Min.
Marzipan, selbst gemacht
Zutaten für 1 Portion
200 g Bio Mandel(n) mit Haut
180 g Puderrohrohrzucker
n. B. Rosenwasser,
Zubereitung
Es sollten Bio Mandeln mit Haut verwendet werden, die sind meist am besten in der Qualität. Zum Häuten mit Wasser überbrühen und etwas ziehen lassen, dann sollte die Haut leicht abgehen. Notfalls nochmal überbrühen.
Die Mandeln dann im Blitzhacker oder mit dem Mixstab mit Messerkreuz mahlen bzw. ganz fein hacken. Evtl. zwischendurch die Mandelmasse etwas auflockern und dann weiter hacken.
Wenn die Mandeln einen Teig bilden, den Rohrohpuderzucker dazugeben und entweder im gleichen Gerät oder in einer Schüssel mit den Händen alles verkneten. Dabei kann man das Marzipan beliebig aromatisieren, z. B. mit einem Esslöffel Rosenwasser (gibt es im türkischen Supermarkt).
Arbeitszeit: ca. 45 Min.