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Bundesamt für Naturschutz besorgt über Funde von "Gen-Reis"

Archivmeldung vom 23.09.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist besorgt über die gentechnische Verunreinigung von Reis. "Dieser Fall muss genau untersucht werden, da er exemplarisch für das teilweise hohe und unvorhergesehene Ausbreitungspotenzial von gentechnisch veränderten Pflanzen sein könnte. Wir erwarten natürlich nicht, dass Reis sich in Deutschland ausbreitet.

Er steht aber stellvertretend für heimische Kulturarten mit gleichem oder sogar höheren Auskreuzungspotential wie Raps," sagte Prof. Dr. Hartmut Vogtmann, Präsident des BfN. Solange der Stand des Wissens noch so gering ist, sei nach Ansicht des BfN eine Anwendung des Vorsorgeprinzips dringend gefordert. "Der aktuelle Fall bestätigt unsere Forderungen nach ausreichenden Abständen zwischen Feldern mit gentechnisch veränderten und konventionellen Pflanzen. Aber auch Abstände beim Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu ökologisch sensiblen Gebieten müssen eingehalten und überwacht werden. In Naturschutzgebieten müssen wir mit gentechnisch veränderten Pflanzen sehr vorsichtig sein", so Vogtmann.


Hintergrundinformationen:

Die gentechnische Verunreinigung von herkömmlichen Langkornreis mit LL Reis 601 wurde im Lebensmittelhandel in Europa u.a. in Deutschland entdeckt. Der LL Reis 601 wurde in den Jahren 1998 bis 2001 zu Versuchszwecken in den USA angebaut. Der Reis besitzt eine Herbizidresistenz, d.h. er überlebt eine Spritzung mit einem bestimmten Unkrautvernichtungsmittel. Schon im Jahr 2003 gab es laut der Louisiana State Universität Verunreinigungen im konventionellen Saatgut der Sorte Cheniere 2003 mit LL Reis 601. Der weltweit größte Reishändler Riceland Foods fand im Januar 2006 LL Reis 601 in Lagerbeständen der Ernte des Jahres 2005. Die Verunreinigungen scheinen geografisch ohne erkennbares Muster quer durch die Reisanbaugebiete des Unternehmens verteilt gewesen zu sein. Im Juli informiert Bayer Crop Science das US-Landwirtschaftsministerium (USDA), das zwei Wochen später die EU-Kommission informiert. Die EU-Kommission verfügt am 23. August, dass nur getestete Waren importiert werden dürfen. Die Bundesregierung hat dies umgehend national umgesetzt.


Wissenschaftliche Frage:

Wie kann der nicht zugelassene und nur 1998 bis 2001 in den USA angebaute Versuchs-Reis zu einer so flächendeckenden Verunreinigung führen?

Als mögliche Ursache der Verunreinigung werden zwei Ausbreitungswege diskutiert.

1. Bei der Saatgutproduktion von konventionellem Saatgut kam es in den Jahren 1998 bis 2001 zu einer Einkreuzung von LL Reis 601 in konventionelle Reissorten. Bei der weiteren Vermehrung von Reis blieb die Verunreinigung zu einem gewissen Prozentsatz erhalten. Dies ist möglich, da die Reiszüchtung und -vermehrung zum Teil zentral stattfindet. Gleichzeitig haben die Überwachungsbehörden in den USA nach eigenen Angaben keine Kenntnis darüber, wo die zu experimentellen Freisetzungen zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden.

2. Auch der Übertragungsweg zwischen der Kulturpflanze und dem Unkraut Red Rice kommt als Ursache für das Problem in Betracht. Die Pollenübertragung von herbizidresistentem Reis auf Red Rice wird zwar niedrig eingestuft, aber es könnte zu einer bleibenden Verunreinigung beigetragen haben.

Der LL Reis 601 zeigt nach Ansicht verschiedener Experten deutlich, dass bei geringen Sicherheitsstandards mit einer Ausbreitung von gentechnisch veränderten Pflanzen zu rechnen ist. In wieweit gentechnisch veränderte Pflanzen in der Natur langfristig Schäden anrichten und zum Problem werden, werden erst die Langzeituntersuchungen in Zukunft zeigen.

Nicht nur Reis besitzt eine hohes Ausbreitungs- und Auskreuzungspotential sondern auch andere Kulturpflanzen wie z.B. Raps und Mais.

Bei den Diskussionen über zu Koexistenzregeln (Verhältnis zwischen, Landwirtschaft mit gentechnisch veränderten Sorten, konventioneller Landwirtschaft und Ökolandbau) hat sich das BfN seit Jahren für ausreichend große Abstände und niedrige Schwellenwerte vor allem beim Saatgut eingesetzt, um Verunreinigungen auszuschließen. Aus Vorsorgegründen orientierten sich die Vorschläge des BfN, die teilweise stark kritisiert wurden, an den wissenschaftlich nachgewiesenen maximalen Auskreuzungsdistanzen.


Naturschutzgebiete sind gefährdet

Für das BfN ist die Reinheit des Saatgutes nicht nur eine Frage der Koexistenz von konventionellem/ ökologischem Anbau und dem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen, sondern auch eine wichtige Frage des Naturschutzes.

Insbesondere bei experimentellen Freisetzungen könnte es durch eine Auskreuzung in konventionelles Saatgut oder in Wildverwandte zu einer Ausbreitung von GVO oder deren Nachkommen in die Natur kommen. Eine räumliche und zeitliche Beschränkung wäre damit aufgehoben. Diese ist aber notwendig, da zum Zeitpunkt der Freisetzung in der Regel noch keine detaillierten Daten zum Umweltverhalten der GVO vorliegen. Werden zu einem späteren Zeitpunkt unerwartete schädliche Auswirkungen, wie die Verdrängung oder Verfälschung geschützter Arten entdeckt, wäre eine Rückholbarkeit der GVO faktisch nicht mehr gegeben.

Daher fordert das BfN generell von ökologisch sensiblen Gebieten, insbesondere zu Natura 2000-Gebieten, Abstand zu halten.

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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