Liebe geht DOCH durch den Magen: Der letzte Stollen – Teil 4
Archivmeldung vom 21.12.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.12.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas macht ein Mann, der von seiner Frau verlassen wurde, mit einem eingewickelten Stollen unter dem Arm am späten Abend auf der Straße? Was denkt er? Und was geschieht, wenn er plötzlich fällt?
Er ist viel herumgekommen, der letzte Stollen, während der vergangenen Wochen. Seit dem Tag, an dem er gebacken wurde. Seit dem Tag, an dem Deine Frau Dich verlassen hat. Einfach so.
Nein, es war natürlich nicht „einfach so“ gewesen. Nicht für sie und nicht für Dich. Wobei Dich ihre Gefühle an dieser Stelle weniger interessieren. Sie ist gegangen. Sie ist schuld – schuld daran, dass Du Dich einige Male betrunken hast, an jedem Wochenende sowieso und dazwischen das eine oder andere Mal beinahe; schuld daran, dass Du deshalb auch hin und wieder ein ziemlich jämmerliches Bild abgegeben hast; schuld daran, dass man über Dich redet und dass manche wohl sogar hinter Deinem Rücken über Dich lachen.
Der Stollen war das Letzte gewesen, was sie für Dich getan hatte. Du hattest ihn wegwerfen wollen. Dann hattest Du ihn aber nur aus Deinem Sichtfeld entfernt. Irgendwie schien er Dir wie eine Verbindung zu ihr zu sein. Wenn eine Frau sich die Mühe macht, noch einen Stollen zu backen – dann geht sie doch nicht wirklich, oder?
Das hattest Du Dich gefragt und da Du keine Antwort wusstest, hattest Du die Frage anderen gestellt: Deinen Kindern und dem Wirt Deiner Stammkneipe, einem Arbeitskollegen, sogar der Frau Jentzsch aus dem Hauptbüro. Sie hatte sofort bemerkt, dass etwas mit Dir nicht in Ordnung war und sie hatte sich um Dich gekümmert, aufopferungsvoll … erwartungsvoll … und durchaus nicht aus schierer Barmherzigkeit. Aber Du warst zu sehr mit Deinem Jammer beschäftigt gewesen, um Ihre Absichten zu bemerken und schließlich hatte sie eingesehen, dass ihre Strategie irgendwie nicht die richtige war. Das war geschehen, als Du ihr Angebot, Weihnachten mit ihr zu verbringen, abgelehnt hattest. Und das in einem Ton, der selbst durch die Filter ihrer Erwartungen hindurch noch komplett desinteressiert und in keiner Weise dankbar klang, schon gar nicht ermutigend.
Es war seltsam gewesen, in Eurer Wohnung zu sein ohne Deine Frau. Irgendwie hattest Du ständig mit ihrem Erscheinen gerechnet. Aber sie war nicht erschienen. Am Anfang hattest Du nicht einmal gewusst, wo sie hingegangen war. Das hatte Dir Sorgen bereitet, aber Dich auch verärgert, denn es hatte nach einem lange ausgetüftelten Plan ausgesehen.
Ob spontaner Entschluss oder zielgerichtetes Handeln machte zwar zunächst keinen Unterschied – weg ist weg. Aber der Gedanke, dass sie Dir vielleicht Tage, vielleicht sogar Wochen lang Normalität vorgespielt haben mochte, trieb Dich zur Weißglut und damit zur Schnapsflasche.
„Normalität“ … Das war es, was fehlte, das war es, was sie mitgenommen hatte, nein, was sie zerstört hatte. Sie hatte sich das alles fein zurechtgelegt. Sie hatte Gelegenheit gehabt, sich vorzubereiten. Du nicht. Du hattest nichts geahnt. Da waren keine Anzeichen gewesen …
„Doch“, hatte sie gesagt, vor sechs Tagen, als Du zum ersten Mal wieder mit ihr gesprochen hattest. Aber alles, was sie Dir dann erzählt hat, waren Dinge gewesen, an die Du nicht erinnern konntest. Wenn irgendwann tatsächlich etwas nicht in Ordnung gewesen war für sie, warum hatte sie es nicht gesagt?
„Das habe ich“, hatte sie behauptet. Du konntest Dich an keine einzige Gelegenheit erinnern.
Ja, ihr hattet wieder miteinander gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt hattest Du bereits gewusst, dass sie bei ihrer Schwester untergekommen war in Hildesheim. Das machte die ganze Sache irgendwie greifbarer.
Du hattest Deinen Kindern versprechen müssen, sie dort nicht anzurufen und erst recht nicht, dort aufzukreuzen. Als hättest Du das auch nur für eine Sekunde erwogen … Naja, eigentlich hattest Du schon. Aber nicht für lange und nicht ernsthaft. Nein, nicht ernsthaft.
Sie war gegangen. Sie sollte zurückkommen. Du würdest ihr nicht nachlaufen.
„Mama braucht ein bisschen Zeit“, hatte Tine gesagt. Zeit? Wofür?
„Zum Nachdenken“, war die Antwort gewesen und Du hattest Dir jede Erwiderung verkniffen.
Ja, offenbar hatte sie vorher nicht nachgedacht. Denn HÄTTE sie nachgedacht, dann wäre sie ja wohl nicht einfach so gegangen … wegen nichts. Wegen nichts, das sie beschreiben konnte.
„Manche Frauen“, hatte Dirk, der Wirt Deiner Stammkneipe am vergangenen Samstag zu Dir gesagt, „manche Frauen die drehn durch, wenn sie in das Alter kommen“, dazu hatte er diese schraubende Bewegung mit dem Zeigefinger neben seinem Kopf gemacht. „Könn'n die nix für. Das sind die Hormone und so'n Zeuch. Frauensachen.“
Du hast Dirk noch nie wirklich für einen Frauenversteher gehalten. Also konntest Du Dich seiner Meinung auch nicht unbedingt anschließen.
Aber irgendwie klang das so plausibel wie alles andere.
Wenn man einfach so spontan wegläuft, wegen nichts … Ja, spontan, das wusstest Du inzwischen. Das hatte sie gesagt und Du hattest es geglaubt. Da war kein Plan gewesen …
„Da war nie ein Plan, ich meine: WIR hatten NIE einen Plan, du und ich“, hatte sie bei Eurem letzten Gespräch gesagt.
„Was denn für ein'n Plan?“ Es ging Dir auf die Nerven, dass sie sich immer in Rätseln ausdrückte.
„Wir haben nie geredet, mein ich. Wie das wird, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Wir haben überhaupt nie geredet ...“
„Wieso? Worüber?“
Dann hatte sie geschwiegen. Sehr lange. Und dann hatte sie gesagt: „Aber wir müssen … wir müssten mal reden.“
„Ja“, hattest Du geantwortet und gehofft, dass es entschlossen geklungen hatte. „Ja, lass uns reden ...“
Die Kinder werden kommen, alle beide. Obwohl sie es eigentlich gar nicht gewollt hatten. Du hoffst immer noch, dass sie auch kommen wird. Sie ist einfach so gegangen, dann kann sie doch einfach so zurückkommen. Oder?
Und dann werdet Ihr alle zusammen den Stollen essen …
Er ist viel herumgekommen, der letzte Stollen. An diesem Abend hattest Du ihn mit in die Kneipe genommen, schön eingewickelt, damit ihm nichts passiert. Der Gedanke war gewesen, ihn mit Dirk zu essen und mit Kurt und Peter.
Aber von ihnen war nur Dirk da. Natürlich war er da, ist ja schließlich sein Geschäft.
„Hast'n da?“ hatte er gefragt, mit einem Blick auf das Päckchen vor Dir auf dem Tresen.
Da ging Dir plötzlich auf, dass Du den Stollen noch brauchen wirst. Für die Kinder. Und für sie. Wenn sie kommt. Falls sie kommt.
Nun trägst Du ihn wieder nach Hause. Es ist zwei Bier und vier Korn nach „Hast'n da?“. Es ist nicht wirklich kalt, aber irgendwie trotzdem ungemütlich und nass.
Hättest Du etwas Gescheites gegessen, hätten zwei Bier und vier Korn Dir nicht wirklich zusetzen können. Das hast Du aber nicht getan. Schon einige Tage lang nicht mehr.
Dir ist ein wenig schwindelig und da ist ein Rauschen in Deinem Kopf. Oder vielleicht auch nicht. Mag sein, es ist der Motor eines Autos, das irgendwo in der Nähe herum kurvt. Sonst ist alles still. Stille Nacht ….
„Ihr braucht eine Mediation“, hatte Markus gesagt.
„Was ist das denn?“
„Jemand, der euch hilft, wieder miteinander zu reden“, hatte er erklärt. Hast Du Deinen Sohn dafür zur Uni geschickt, damit er Dir solche aufgeblasenen Sachen erzählt?
Reden …
Jeder redet immer von Reden. Als hättest Du nie etwas gesagt. Als hättest Du nie zugehört. Als hättest Du nie etwas verstanden.
Naja …
„Nie“ ist vielleicht übertrieben.
„Eh“, hörst Du eine Stimme schräg hinter Dir, „haste ma'n Euro?“
Du drehst Dich nicht wirklich um, murmelst nur etwas, das niemand verstehen kann. Doch die Aggression in Deiner Stimme ist nicht zu überhören.
Du beschleunigst Deinen Lauf.. Deine Schritte werden aber nicht nur schneller, sondern auch etwas unsicher. Gerade als Du die Straße überqueren willst, musst Du husten. Du hast Dich verschluckt. Dein Körper krümmt sich leicht und dreht sich dabei ein wenig. Mit dem nächsten Schritt trittst Du genau auf die Kante des Bürgersteigs. Dein Fuß rutscht ab, Du verlierst das Gleichgewicht und fällst. Der Stollen schlittert über den Asphalt, wohl behütet in seiner Verpackung.
Und jetzt?
Vielleicht kommt jetzt tatsächlich ein Auto im falschen Moment und überfährt ein Päckchen, das dort mitten auf der Straße liegt.
Vielleicht überfährt das Auto einen Mann, der dort auf der Straße liegt.
Vielleicht kommt jemand von hinten gelaufen, huscht an dem Liegenden vorbei, bringt das Päckchen an sich und verschwindet – mit einem Stollen statt einem Euro.
Vielleicht steht der Gefallene einfach wieder auf, nimmt sein Päckchen unter den Arm und geht seiner Wege.
Vielleicht, wenn er nach Hause kommt, sind seine Kinder schon da.
Vielleicht ist seine Frau zuhause.
Vielleicht kommt ein Wagen gefahren, als er den Stollen gerade aufgehoben hat und bremst rechtzeitig, um den Mann nicht zu überfahren.
Vielleicht sitzen in diesem Auto seine Frau und deren Neffe, der sie von Hildesheim zurückgefahren hat … damit sie im Zweifelsfall sofort wieder verschwinden kann.
Vielleicht steigt sie aus und fragt ihn, was er da macht. Und dann sagt er vielleicht, dass er mit ihrem Stollen spazieren gegangen ist. Oder – noch besser: dass er sich mit ihm unterhalten hat und ihm alles erzählt hat, was er ihr erzählen wollte …
Gut, das ist reichlich unwahrscheinlich.
Aber vielleicht … ich meine: es ist Weihnachten und wenn jetzt keine Wunder geschehen, wann dann?
Aber vielleicht endet alles auch GANZ anders.
Vielleicht auch nicht.
Ich überlasse die Wahl Ihnen.
Das ist mein Weihnachtsgeschenk an Sie: Sie dürfen diese Geschichte so beenden, wie Sie es für richtig erachten. Und wofür Sie sich auch immer entscheiden werden, wird wahr sein. Denn die Wahrheit und die Wirklichkeit sind immer noch zwei paar Stiefel.
Frohe Weihnachten!
Text von Herbert Jost-Hof
Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgen hier nun zwei Rezepte, eines davon vegan.
Weihnachtlicher Hefezopf
Rezept für 1 Portion
Zutaten
1 Würfel Hefe
250 ml saure Sahne
70 g Rohrohrzucker
500 g Mehl
100 g Butter
1 EL Rum
2 Ei(er)
70 g Mandel(n), klein gehackt
1/2 Pck. Lebkuchengewürz, ca.
Eigelb
Mandel(n), Blättchen
Fett für das Blech
Zubereitung
Die zerbröckelte Hefe mit der erwärmten sauren Sahne und je 2 TL Zucker und Mehl zu einem glatten Vorteig kneten. Das restliche Mehl in eine Schüssel geben, eine Vertiefung machen. Den Vorteig hineinfüllen und mit Mehl bedecken. Dann an einem warmen Platz 1 Stunde gehen lassen.
Die Butter mit den Eiern, Rum, Lebkuchengewürz, dem restlichen Zucker und den gehackten Mandeln vermengen und den Teig gut durchkneten. Drei gleichmäßig dicke Würste formen, die zu einem geraden oder runden Zopf zusammen geflochten werden. Diesen auf dem gefetteten Backblech nochmals 30 Minuten gehen lassen.
Dann mit dem Eigelb bestreichen und mit den Mandelblättchen bestreuen. Im vor geheizten Backofen bei 200 Grad 40 Minuten backen.
Arbeitszeit: ca. 40 Min. - Ruhezeit ca. 1 Std.
Schokoladiger Gewürzkuchen
Rezept für 1 Portion
Zutaten
250 g Mehl, auch Vollkorn-
100 g Haselnüsse, gemahlen
175 g Rohrohrzucker
175 g Margarine
1 Pck. Puddingpulver, Vanille
1 Pck. Backpulver
1 Msp. Kardamom
1 Msp. Nelkenpulver
1 TL Zimtpulver
4 EL Kakaopulver
1/2 Tafel Schokolade, mit Chili, gerieben
1/2 Tafel Schokolade, zartbitter, grob gehackt
1 TL Zitronenschale, abgeriebene
1 Msp. Sternanis, gemahlen
100 ml Wasser, je nach dem wie feucht der Kuchen werden soll
1 Schuss Rum
Fett, für die Form
Zubereitung
Backofen vorheizen auf 180°C.
Alle Zutaten in eine Rührschüssel geben und erst vorsichtig, dann stärker vermengen.
In eine gefettete Gugelhupfform geben und 50-60 min. backen. Mit einem Zahnstocher nachprüfen, bleibt nichts hängen, ist der Kuchen fertig.
Arbeitszeit: ca. 15 Min.