Liebe geht DOCH durch den Magen: Der Windbeutel – oder: Die Ausnahme von der Regel
Archivmeldung vom 16.03.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.03.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas mit den Männern und den Frauen ist ja bekanntlich so eine Sache und Woody Allen meint deshalb, sie passen prinzipiell nicht zusammen. Wer es weniger grundsätzlich sieht und bereit ist, Menschen ein gewisses Maß an Lernfähigkeit zuzugestehen, der kann mitunter durchaus auch und gerade in Beziehungsfragen überrascht werden.
Du weißt, wer Du bist und Du weißt, was Du willst. Wenn Du immer zum gleichen Friseur gehst, dann hat das nichts mit konservativer Grundhaltung oder mangelnder Experimentierfreudigkeit zu tun, sondern damit, dass Du in der Lage bist, Qualität zu erkennen und zu entscheiden, wann Du Deinen Idealvorstellungen am nächsten gekommen bist.
Denn Du besitzt Ideale. Und sehr konkrete Wertvorstellungen.
Es ist nicht Deine Art, andere Menschen in Schubladen zu stecken und Du kennst Deine Vorurteile und weißt mit ihnen umzugehen. Du bist offen für Andere. Aber es gibt auch deutliche Grenzen, die man – und besonders ein männliches Exemplar der Gattung „man“ - nicht überschreiten sollte. Tut er es doch, dann bist Du sehr schnell fertig mit ihm und das bleibt auch so.
Nun aber bist Du gewillt, eine Ausnahme zu machen …
Alles begann wohl vor circa einem Jahr. Du warst dem überaus dringenden Ruf Deiner Freundin Tine gefolgt, ihr und zwei ihrer Aerobic-Schwestern weibliche Verstärkung angedeihen zu lassen für eine relativ spontane Gruppenverabredung mit vier Männern aus dem Bauchweg-Kurs des Fitness-Studios, in dem die drei der musikalisch unterlegten Schlacht gegen Speck an Bauch-Beine-Po nachgehen.
Bis Du am Tatort erschienen warst, hatten die Beziehungsmuster zwischen den Anwesenden sich bereits bis zu einem Punkt herausgeprägt, dass völlig klar war, wer der anwesenden Herren für Dich übrig bleiben würde: Björn, ein großer, weizenblonder Mensch mit einem von diesen Gesichtern, die für Rollen als Fernsehjunggesellen in Publikums-Veralberungsprogrammen privater Rundfunkveranstalter qualifizieren.
Du hattest noch nie so viele, so gleichmäßige und so weiße Zähne in einem einzigen Gesicht gesehen; ein Effekt, der noch durch die intensive Sonnenstudiobräune seiner Haut unterstützt wurde.
So weit es möglich war, etwas von seinem Körper zu sehen, schien er Dir in einem Kurs, der dazu gedacht ist, übermäßigen Bäuche zu reduzieren, völlig fehl am Platze. Und das sagtest Du ihm auch.
Die Antwort floss in schmelzendem Bariton durch das blendende Gebiss: „Ich bin der Trainer.“
Das war die Stelle, an der Du ihm ein erstes „Oh!“ schenktest, einen von all den vielen kleinen überaus variationsreichen Lauten, die Du zu einer eigenen Sprache kultiviert hast. Was Stenographie im Verhältnis zu normalem Text ist, das sind die „Oh!“s für Deine Konversation: Kürzel, die mittels ihrer jeweiligen Lautstärke und Betonung einen ganzen Satz ausdrücken können – in diesem Fall stand es für „Ich weiß, ich sollte jetzt beeindruckt sein, aber ich bin es nicht.“
Erstaunlicherweise änderte sich das innerhalb weniger Minuten, als Du feststellen konntest, dass er offensichtlich a) in der Lage war, Dein „Oh!“ richtig zu deuten und es ihm b) nichts ausmachte, Dich nicht in Bewunderung versetzt zu haben. Das war für einen Mann dieses Aussehens und Auftretens unerwartet und machte Dich neugierig – neugierig genug, ihm ein zweites Rendezvous zuzusagen. Wobei Du allerdings darauf bestandest, nicht nur den Ort auszusuchen, sondern auch die Wahl der Waffen zu übernehmen.
Der Ort war „Tonios Taverne“ und Du hattest Dir vorgenommen, ihn und sein strahlendes Grinsen dort dem Spaghetti-Test zu unterziehen.
Wenn es um überlange Pasta geht, gibt es eigentlich nur drei Arten, damit umzugehen: elegant und sportlich gekonnt wie ein Italiener, desaströs verschlürft und verkleckert wie ein deutscher Löffelwickler und schließlich irgendein minder attraktives Stadium dazwischen.
Du selbst gehörst zu den Schlürfern und Kleckerern und es geht bei dem Test eigentlich gar nicht darum, ob der Andere es besser oder schlechter macht als Du, sondern um die Frage, wie er auf Deine Vorstellung einer Ein-Frau-Version der Laokoon-Gruppe reagiert.
Björn zeigte sich in zunehmendem Maße überheblich und von aufgesetzter väterlicher Fürsorge, was ihm einen sehr schnellen und sehr nachhaltigen Punkteabzug bescherte. Und eigentlich hätte dieses Erlebnis gereicht, um ihn dauerhaft von der Liste der Dich interessierenden Personen zu streichen. Aber aus reiner Fairness und Menschenfreundlichkeit gewährtest Du ihm eine letzte Chance, die Scharte auszuwetzen durch eine begeisternde Kür in der Disziplin „nachmittäglicher gemeinsamer Cafébesuch“.
Du hattest noch sein gedämpftes aber doch unüberhörbares Murren aus der Pizzeria im Ohr, mit dem er sich über die Idee beschwert hatte, etwas essen zu sollen, was er hinterher wieder würde abtrainieren müssen. Also verurteiltest Du ihn diesmal zum Verzehr eines Windbeutels mit extra viel Sahne.
Er protestierte nicht lautstark, aber sein Gesichtsausdruck sagte fast alles … und den Rest besorgte seine Stimme, die Dich in einen Kokon aus männlicher Eitelkeit einzuspinnen drohte. Leider widerstand er allen Versuchen Deinerseits, ein anderes Thema als seine diversen sportlichen und sonstigen Meriten anzuschneiden. Bis es Dir schließlich zu viel wurde. Du tupftest mit Deiner Serviette mikroskopische Reste von Sahne von Deiner Oberlippe, legtest ihm dann Deine Hand auf seine und beugtest Dich leicht zu ihm hin, was bei ihm einen Grinsereflex auslöste.
„Björn“, sagtest Du leise, sehr gefasst und voller Mitgefühl, „mir ist gerade etwas aufgefallen.“
„Und das wäre?“ schnurrte er Dir gegenüber.
„Du und ich … das passt eigentlich nicht. Nicht wirklich. Und nachdem ich mir dessen nun sicher bin, wäre es unfair, Deine Zeit zu vergeuden. Von meiner ganz zu schweigen. Also werde ich jetzt gehn.“
Sein Gesichtsausdruck war mehr überrascht als intelligent. „Wie jetzt?“ fragte er ungläubig.
„Oh!“ und diesmal bedeutete es, 'Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt', doch Du gönntest ihm eine weitere Erklärung: „Auf meinen beiden Beinen – falls sich Deine Frage darauf bezieht, wie ich zu gehen gedenke.“
„Hab' ich was falsch gemacht?“ wollte er wissen und sein Ton war sehr viel eher gekränkt, als dass er Interesse an einer ehrlichen Antwort gezeigt hätte.
„Wie formuliere ich das jetzt am besten?“ Du verdrehtest die Augen gen Himmel und kamst Du zu dem Schluss, dass er die Wahrheit verkraften konnte:“Ich will's mal so sagen: Das, was Du mit diesem Windbeutel gemacht hast, ist Kannibalismus. Wenn Du verstehst, was ich meine. Und Du solltest deshalb vielleicht ernsthaft darüber nachdenken, Dich umtaufen zu lassen. 'Hannibal' wäre passend. Wie 'Hannibal Lecter'. Und wenn wir schon dabei sind, noch ein gutgemeinter Rat: Nimm Dir ab und zu ein Beispiel an den Lämmern. Wegen Schweigen und so.“
Damit erhobst Du Dich und mit der Bemerkung „Aber trotzdem Danke für die freundliche Einladung. Und alles Gute für Dich. Ich würde ja sagen 'Komm' wieder, wenn du erwachsen bist' … Naja. Wer hat schon Zeit, so lange zu warten, nicht wahr?“
Damit war dieser Fall für Dich beendet und Björn-Hannibal, der mit einem leicht verstörten Gesicht zurückblieb, landete auf der Liste mit der Überschrift „Geprüft und für zu leicht befunden“, von der es eigentlich noch nie ein Comeback gab. Bis jetzt …
Denn jetzt bist Du ihm wieder begegnet, auf der Straße, ganz zu fällig. Du hättest erwartet, dass er Dich ignoriert, seinem beleidigten Ego vielleicht sogar eine wohl platzierte Beleidigung oder ein Schimpfwort gönnt. Aber nichts davon. Er ist stehengeblieben, in sicher Entfernung aber ansonsten mit allen Anzeichen äußerster Unsicherheit in Gesicht und Haltung, hat nur „Hallo“ gesagt und dann schnell angehängt, weil Du Deinen Schritt nicht verlangsamt hast: „Wie geht’s dir?“
Es ist reine Neugierde, dass Du anhälst und erwiderst: „Gut. Danke. Und dir?“
Er zuckt die Schultern, steckt die Hände in die Hosentaschen und sieht einen Moment auf die Spitzen seiner teuren Sportschuhe. „Ich fand das schade“, fängt er an und schenkt Dir einen Dackelblick, „dass wir … also Du ...“ Er lächelt ein schiefes Lächeln und zuckt wieder die Schulter. Dann schaut er Dir in die Augen: „Du hast mich beeindruckt. Ehrlich.“
„Oh!“ antwortest Du nur; es sagt: „Und du hast mich gerade überrascht.“
Einen Augenblick lang herrscht Schweigen. Dann meint er „Hörst du? - Das Schweigen der Lämmer“ und Ihr müsst beide lachen.
Das ermutigt ihn offenbar. „Ich hab' ein neues Auto“, erklärt er und die Rechte kommt aus der Hosentasche hervor und zeigt auf einen schwarz glänzenden Protzschlitten, der schräg hinter Dir am Straßenrand steht.
Der Anblick des Fahrzeugs lässt Dich nur innerlich den Kopf schütteln und Du beantwortest selbst die Frage, die Du vielleicht später an ihn gerichtet hättest, mit einem deutlichen 'nein': „Bist du erwachsen geworden?“
„Siehst du das Nummernschild?“ will er wissen und natürlich hast Du nicht darauf geachtet. Wozu auch? Nun schaust Du hin: hinter der Abkürzung der Stadt folgen zwei Buchstaben ..
„'HL'“, sagt er, „für 'Hannibal Lecter'. Dir zu Ehren.“
Da ist etwas in seinen Augen, das wie Bewunderung aussieht – und diesmal gilt sie nicht seiner eigenen Großartigkeit, sondern eindeutig Dir.
„Oh?“ meinst Du nur und es bedeutet: „Sollte ich Dich wirklich unterschätzt haben?“
Text von Herbert Jost-Hof
Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgen hier nun zwei Rezepte, eines davon vegan.
Windbeutel
Zutaten für 4 Portionen
1/4 Liter Milch
100 g Butter
1 Prise Meersalz
125 g Bio Mehl
4 Bio Eier
1 EL Rohrohrzucker
1/2 Pkt. Vanillerohrohrzucker
1 TL, gestr. Bio Backpulver
Früchte, zum Füllen
Schlagsahne
Zubereitung
Arbeitszeit: ca. 35 Min. / Schwierigkeitsgrad: normal / Brennwert p. P.: keine Angabe
Die Milch mit Butter und Salz zum Kochen bringen. Mehl auf einmal hineinschütten und alles unter Rühren rasch zu einem Kloß verarbeiten, der sich vom Topf löst. Zunächst ein Ei, nach und nach die anderen Zutaten gut verrühren. Zum Schluss Zucker und Vanillezucker und das gesiebte Backpulver zufügen. Von dem Teig mit einem Spritzsack oder zwei Löffeln kleine Häufchen auf ein bemehltes Backblech setzen und bei 200 Grad Ober-/Unterhitze ca. 25 Minuten backen. Gleich nach dem Backen aufschneiden, nach dem Erkalten mit Früchten und/oder steif geschlagener Sahne füllen.
Vegane Windbeutel
Zutaten:
250 ml Wasser
50 g Bio-Margarine
150 g Bio Mehl
30 g Speisestärke
1 Päckchen Bio Backpulver
ca. 150 ml Sojasahne
6 Ei Ersatz NoEgg (6 TL NoEgg und 12 EL Wasser)
Zubereitung:
Den Ei Ersatz anrühren und ca. 3 Minuten mit dem Mixer auf höchster Stufe aufschlagen. 150 g Mehl und 30 g Speisestärke mischen und sieben. 250 ml Wasser mit 50 g Bio Margarine aufkochen. Nun das Mehl-/Stärkegemisch ins kochende Gemisch aus Wasser und Margarine einrühren, sodass ein Kloß entsteht, der nun ca. 1 Minute „gebrannt“ wird, indem man ihn im heißen Topf bei höchster Hitze bewegt. Anschließend wird der Kloß in eine Rührschüssel gegeben. Jetzt den Eiersatz in kleinen Portionen mit dem Mixer in den Kloß einrühren und anschließend die Sojasahne langsam einfließen lassen, bis der Teig etwas geschmeidiger wird und schwer reißend vom Löffel fällt. Die Menge der Sojasahne ist eine Cirka-Angabe, denn der Teig sollte dabei nicht zu flüssig werden. Zum Schluss wird das Backpulver noch in den Teig eingerührt und der Teig ca. 10 Minuten ruhen zu lassen, bevor man die Teighäufchen auf das mit Backpapier belegte Backblech setzt. Die Größe der „Teighäufchen“ entspricht dabei etwa einer großen Walnuss.
Den Backofen auf 220 Grad vorheizen (kein Umluft) und jetzt die Windbeutel ca. 25 Minuten backen lassen, bis die Windbeutel leicht gebräunt sind.
Zum Befüllen schneidet man den Deckel der Windbeutel ab und setzt ihn anschließend auf die Füllung auf. Als Füllung sind Sauerkirschen mit etwas Rohrohrzucker kurz aufgekocht und mit Agar-Agar geliert und dazu Sojatoo Sojaschlagcreme gut geeignet.