Doktorin: Traditionelle Selbstversorgung vor der Haustüre
Archivmeldung vom 19.09.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo Babićs kommen harte Zeiten auf uns zu. Wer sich nicht mehr auf den Nachschub in den Läden verlassen will oder kann, muss sich selbst bevorraten. Aber auch die Tiefkühltruhe ist durch Stromabschaltung gefährdet. Was können wir also tun? Unsere Vorfahren haben uns vorgemacht, wie man ohne Strom Vorräte anlegt. Dieses Wissen gilt es nun wieder anzuwenden. Dies berichtet Dr. Renate Reuther im Magazin "Wochenblick.at".
Weiter berichtet Dr. Reuther: "Mutter Natur beschenkt uns wie jedes Jahr großzügig. Dennoch verließen wir uns auf die überladenen Supermärkte, die das ganze Jahr über aus der aller Welt Nachschub lieferten. Das wird geändert. Unsere Versorgung ist gefährdet. Wohl dem, der rechtzeitig Beerensträucher und Obstbäume pflanzen konnte. Aber was bleibt den anderen? Selbst wer eine gut gefüllte Kühltruhe hat, muss bei den angekündigten Stromabschaltungen um seine Vorräte bangen.
Blick in die Vergangenheit lohnt
Es lohnt ein Blick in die Vergangenheit, als unsere Vorfahren noch ganz auf sich gestellt waren und ohne Strom durch den Winter kamen. Bis weit ins 20. Jahrhundert war der Import von Obst aufwändig und teuer, nicht nur von Südfrüchten, sondern auch aus klimatisch bevorzugten benachbarten Gebieten. In den Klöstern und Adelshöfen war Obst Ausweis einer verfeinerten Lebensart. Es wurden wie im Schlosspark von Potsdam aufwendige Terrassenanlagen mit Obstbäumen hinter Glas gebaut oder Orangerien, um frostempfindliche Orangenbäumchen durch den Winter zu bringen. Man bezahlte dafür eigene Experten. Friedrich Schillers Vater zum Beispiel war für die Obstbaumzucht in Württemberg zuständig und gab dazu ein Lehrbuch heraus.
Die Gärten von Adel und Kirche waren durch hohe Mauern vor Dieben geschützt, anders als die Gärten der Bürger vor den Stadttoren. In Coburg wurden Obstdiebe als Strafe und zur Abschreckung in einen Holzkasten gesperrt und in den örtlichen Fluss getaucht. Andernorts drohte Straßenarbeit, die Auspeitschung oder beim dritten Mal Zuchthaus. Die gleichen Strafen hatten auch die Eltern zu erwarten, die ihre Kinder nicht ordentlich erzogen und Diebereien duldeten.
Essbare Dorfverschönerung
Die Dörfler hingegen waren froh um die Gaben der Natur aus dem Wald und vom Wegrand.
„Obstkulturen – was sind sie uns nicht alles? Sie sind nicht nur ein Labsal der Zunge, dem Durstigen eine Erfrischung, dem Kranken eine Stärkung und Erquickung, sondern auch ein sehr beliebtes Nahrungs- und Sättigungsmittel.“ Der Autor dieser Zeilen regte im frühen 19. Jahrhundert an, die Dörfer mit Obstkulturen zu verschönern und aufzuwerten. „Wie traurig, kahl und leer von Baum- und Gartenanlagen finden wir noch viele Ortsumgebungen.“ Leider gilt dieser Seufzer in einer ausgeräumten Agrarlandschaft genauso wie damals.
Versorgt durch Mutter Natur
Schon seit Urzeiten lebt der Mensch von dem, was er in der Natur sammeln kann. Eine wichtige Rolle für die Verpflegung spielten die Feldraine und Hecken. Dort konnte Futter für die Ziegen geschnitten werden, auch für Gänse und Enten. Dort pflückte man die energiereichen Haselnüsse und versorgte sich mit Fallobst. Die Heckensträucher lieferten Schlehen, Holunder oder Hiffen/Hagebutten.
Brombeeren, Himbeeren und Erdbeeren brauchte man nicht im Garten zu pflanzen, sie gediehen ja wild. In großen Glasflaschen setzte man den eigenen Beerenwein an. Schnapsbrenner und Winzer besserten damit Farbe und Geschmack des Traubenweines auf.
Im Wald wurden Heidel- und Preiselbeeren gesammelt, aber nur, wenn der Förster den Wald dafür geöffnet hatte und eine entsprechende Gebühr bezahlt war. Ansonsten drohten so genannten Waldfrevlern empfindliche Strafen. Natürlich hielt man auch die Augen offen nach essbaren Pilzen, die als Fleischersatz beliebt waren.
Getrocknetes Obst, die sogenannten “Hutzeln” oder “Kletzen”, gab es als Hutzelbrühe zu Kartoffeln oder zu Topfen- oder Hefeklößen. Wenn das Hutzelbrot mit Nüssen angereichert wurde, war es eine geheiligte Festspeise, die Weihnachten und Neujahr aus dem Alltag heraushoben.
Eine andere Form der Konservierung war das stundenlange Einkochen zu Mus, das als Beilage und Süßungsmittel verwendet wurde. Das Marmeladekochen unter Verwendung von reichlich Zucker konnte erst dann heimisch werden, als Rohrzucker durch Rübenzucker ersetzt und erschwinglich wurde. Das Sterilisieren durch Einkochen in Gläsern wurde erst 1892 patentiert; die Firma Weck 1900 gegründet, die Firma Rex 1908.
Einmachen und Konservieren
Schillers Schwiegermutter Luise von Lengefeld hat in ihrem Kochbuch aus dem späten 18. Jahrhundert zahlreiche Rezepte zum Haltbarmachen von Obst hinterlassen.
Quitten wurden eingemacht, ebenso Johannisbeeren und Hagebutten. Kirschen wurden mit Zimtzucker und Nelken gewürzt in Fässchen gepresst. Der Böttcher verschloss es bis zum Gebrauch so dicht wie möglich. Oder man machte Kirschen-Häufchen. Dazu entsteinte man saure Kirschen, kochte sie in Sirup, formte aus den ausgedrückten Kirschen kleine Häufchen mit einem Stein in der Mitte und trocknete diese.[vi]
Zwetschgen wurden, falls nicht gedörrt, mit Sand und Kleie in Steinguttöpfen gelagert. Man scheute vor langwierigen Prozeduren nicht zurück, um grüne Walnüsse und grüne Pflaumen einzulegen oder durch Vergärung aus Quitten, Schlehen, Kirschen und Himbeeren Wein zu gewinnen. Dieser bedurfte längerer Pflege, mussten doch die Flaschen teilweise täglich im Keller gerüttelt werden. Schlüsselblumen gaben anscheinend auch einen schmackhaften Wein. Wein wurde außerdem mit Melisse und Birkenwasser versetzt und als Hausmittel verwendet."
Quelle: Wochenblick