TÜV Rheinland-Test: Starke Keimbelastung im Trinkwasser
Archivmeldung vom 02.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNichts erfrischt mehr als ein Glas kühles Leitungswasser. Doch auch wenn Deutschland für seine hohe Trinkwasserqualität bekannt ist, sollte man in öffentlichen Gebäuden Vorsicht walten lassen. Ein bundesweiter Test von TÜV Rheinland und ARD Plusminus in zehn deutschen Großstädten zeigt: In der Hälfte der untersuchten 50 Wasserproben aus öffentlich zugänglichen Gebäuden wurden zum Teil starke mikrobiologische Verkeimungen gefunden. „Jede zweite Wasserprobe war belastet.“, erklärt Dr. Walter Dormagen, Experte für Mikrobiologie bei TÜV Rheinland. „Neben einer deutlichen allgemeinen Verkeimung haben wir in einigen Wasserproben auch E.coli beziehungsweise Coliforme-Bakterien und Legionellen gefunden. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem können diese Belastungen eine Gesundheitsgefährdung darstellen“.
Die Fachleute von TÜV Rheinland haben im Juli 2011 in Aachen, Berlin, Bonn, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hannover, Köln, Nürnberg und Saarbrücken jeweils fünf Wasserproben in öffentlichen Gebäuden genommen. Im Visier der Tester standen dabei öffentlich zugängliche Toiletten in Bahnhöfen, Rathäusern, Krankenhäusern, Seniorenheimen und Universitäten. Die Probennahme wurde nicht gemäß Trinkwasserverordnung durchgeführt, wo beispielsweise ein Abflammen des Wasserhahns vorgeschrieben ist, sondern die Probe wurde ganz lebensnah aus dem Wasserhahn gezapft. Das Wasser wurde in sterile Flaschen abgefüllt und unter Einhaltung einer Kühlkette ins Labor gebracht. Im Mikrobiologielabor von TÜV Rheinland in Köln wurden die 50 Wasserproben anschließend auf ihre mikrobiologische Belastung hin untersucht. Nach wenigen Tagen entwickelten sich bereits die ersten Keimkolonien. „Keimkolonien entstehen durch die im Wasser enthaltenen Bakterien, die so genannten koloniebildenden Einheiten – kurz KBE. Diese werden nach der vorgeschriebenen Bebrütungsdauer ausgezählt, um Rückschlüsse auf die Verkeimung zu ziehen. Je mehr Einheiten sich bilden, umso verkeimter ist die Wasserprobe“, erklärt Dr. Dormagen. Erlaubt sind laut Trinkwasserverordnung 100 koloniebildende Einheiten pro Milliliter. In einer besonders stark verkeimten Probe fanden sich circa 800 KBE. Der Grenzwert wurde um ein achtfaches überschritten. Neben der allgemeinen Verkeimung wurden die Wasserproben auch auf E.coli/Coliforme-Bakterien, Pseudomonaden und Legionellen untersucht. Acht Wasserproben enthielten E.coli oder Coliforme-Bakterien. Diese Bakterien können beim Menschen zu Durchfall und Erbrechen führen. In zwei Proben wurden Pseudomonaden, auch bekannt als Krankenhauskeime, gefunden. Gelangen diese in den Körper, können sie zu entzündlichen Reaktionen führen. Bei frisch operierten Patienten kann dies zu erheblichen Komplikationen führen. Besonders problematisch ist hierbei, dass einige dieser Bakterien Resistenzen gegen zahlreiche Antibiotika entwickelt haben. Auch können Pseudomonaden dazu beitragen, dass sich in den Wasserleitungen ein Biofilm bildet, der nur schwer zu beseitigen ist.
Legionellen wurden in vier Wasserproben gefunden. Sie gelangen nicht durch Hautkontakt in den Körper sondern werden als feinste Wassertröpfchen und Wassernebel eingeatmet und dringen so tief in die Lunge ein. Bei Menschen kann dies zu lebensbedrohlichen Lungenerkrankungen führen.
Mangelnde Wasserhygiene in öffentlichen Gebäuden
Die Trinkwasserverordnung sieht vor, dass das Trinkwasser in Deutschland beim Endverbraucher frei von mikrobiellen Belastungen und nicht gesundheitsschädigend aus dem Wasserhahn kommt. Die Wasserversorgungsunternehmen sind für die Qualität des Wassers bis zum Hausanschluss verantwortlich, also für den Transport zum Endverbraucher. Für die Instandhaltung der Leitung und Hygiene in den Sanitäranlagen bis zur Entnahmestelle in den Gebäuden selbst ist der jeweilige Gebäudebetreiber verantwortlich. Auffällig beim Test: „In jeder Stadt haben wir mikrobiologische Belastungen im Trinkwasser gefunden.“, fügt Dr. Dormagen hinzu.
Für die Wasserhygiene sind saubere Leitungen, die durch ausreichend fließendes Wasser regelmäßig gespült werden, die Grundvoraussetzung. „Verkeimungen können zum Beispiel durch kaputte Leitungen oder retrograde Verkeimung, eine Rückverkeimung durch stehendes oder nur langsam fließendes Wasser, entstehen. Stagniert das Wasser in den Leitungen oder fließt nur wenig Wasser mit wenig Druck durch die Leitungen können sich leicht sogenannte Biofilme bilden, die dann dauerhaft Keime in das Trinkwasser abgeben“. Aber auch mangelnde Hygiene in sanitären Anlagen kann zu einer Verkeimung des Wassers führen. Ist beispielsweise der Wasserhahn nicht richtig gereinigt, können Keime in das Wasser gelangen.
Akuter Handlungsbedarf bei Legionellen
Besonders bei Legionellen besteht akuter Handlungsbedarf aufgrund der Gesundheitsgefährdung. Die betroffenen Betreiber wurden umgehend informiert. Bei Legionellenbefunden muss eine erneute Untersuchung stattfinden, um bei einer Bestätigung des Ergebnisses die Ursache der Verunreinigung zu klären und mögliche Maßnahmen einzuleiten. „Wir raten allen Betreibern dringend dazu, das Wasser nochmals zu überprüfen. Nur so können bei einer Bestätigung der Ergebnisse die Ursachen erforscht werden. Hierbei wird festgestellt, woher die Verkeimungen stammen und welche wichtigen Hygienemaßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität getroffen werden.“, so Dr. Dormagen.
Doch auch die Nutzer selbst können etwas tun. Zur Verbesserung der Wasserhygiene empfiehlt TÜV Rheinland einen bewussten Umgang mit Wasser: So sollte der Verbraucher vor der Wasserentnahme das Wasser einen Moment laufen lassen, damit ein Teil womöglich vorhandener Keime weggespült werden kann. So wird sichergestellt, dass Wasser, was länger in den Leitungen gestanden hat, abfließen kann. Auch sollte regelmäßig aus allen Wasserhähnen Wasser entnommen werden, um eine Stagnation des Wassers in den Leitungen zu verhindern. Die Vorlauftemperatur von Warmwasser sollte auf mindestens 50 °C eingestellt werden. Erfahrungsgemäß wird das Wachstum der meisten Bakterien ab dieser Temperatur gehemmt. Auch eine Erhöhung des Wasserdrucks führt zu einer besseren Durchspülung und Reinigung der Leitungen.
Als akkreditiertes Prüfhaus führt TÜV Rheinland mikrobiologische Untersuchungen und Hygieneüberprüfungen an Umwelt-, Bau und Gebrauchsmaterialien durch. Allein am Standort Köln arbeiten in der Schadstoff- und Umweltanalytik rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie führen für Gebäudebetreiber und auch für Privatpersonen regelmäßige Kontrolle von Trinkwasseranlagen durch, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Vorgaben rund um Hygiene eingehalten werden.
Quelle: TÜV Rheinland AG (ots)