Liebe geht DOCH durch den Magen: Nachtschattengewächse (Erster Teil)
Archivmeldung vom 22.09.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.09.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Garten sind die Tomaten reif. Und das wird auch höchste Zeit, denn sie werden benötigt für einen kulinarischen Akt der Verführung. Der Herbst beginnt und motiviert dazu, es sich kuschelig zu machen ...
Der Herbst beginnt, sagt Dein Kalender. Nicht, dass Dich das wirklich interessierte. Es ist mild, überwiegend sonnig. Deine Haut zeigt noch deutlich die Spuren heißer Tage und was Deine innere Verfassung betrifft … nun, für die spielt es keine Rolle, ob stechende Sonne oder prasselndes Kaminfeuer: Du bist empfänglich für das Schöne.
Das schließt alles Mögliche ein, vom Erlebnis guter Musik oder einer interessanten Lektüre bis zur bildenden Kunst … oder zum Kulinarischen. Ganz zu schweigen von zwischenmenschlichen Aspekten, wie Du konstatierst, während Du im Garten Deine Tomaten aus eigener Zucht erntest.
„Pommes d'Amour“- „Liebesäpfel“, nennen sie die Nachbarn aus Frankreich. Eine Bezeichnung, die noch aus den Zeiten stammt, in denen man diesen wunderbaren roten Früchten aphrodisierende Wirkung nachsagte. Aber das ist ein Gerücht, ein Mythos. Ebenso wie der Glaube, Tomaten seien Gemüse. Tatsächlich sind es Beeren. Und sie sind Nachtschattengewächse. So wie Du.
Die Dunkelheit hat Dir eigentlich immer mehr gelegen als das Tageslicht. Dein Biorhythmus will, dass Du am Abend noch einmal Energien aufbaust, wenn andere zu gähnen beginnen. Ein Umstand, der sich schon manches Mal als überaus nützlich erwiesen hat und als erfreulich – für Dich und andere.
Euch scheint einiges zu verbinden, die Tomaten und Dich. Das geht Dir durch den Kopf, während Du Deine Ernte in der Küche auf ein großes Hackbrett verteilst und voller Züchterstolz betrachtest. Auch wenn selbst die schönsten Tomaten (und Du nimmst eine von ihnen in die Hand und labst Dich an ihrer kräftigen Farbe) letztlich doch nicht den Hormonhaushalt zum Überkochen bringen können, so haben sie doch zumindest in übertragenem Sinne einiges mit dem menschlichen Liebesleben zu tun. Zumindest mit Deinem.
So rot wie die Frucht in Deiner Hand warst Du bei Deinem ersten Rendezvous gewesen. Oder wenigstens hatte es sich so angefühlt. Vom berühmten „ersten Mal“ ganz zu schweigen, über das glücklicherweise eine gnädige Nacht ihr dunkles, mit Sternen durchwirktes Tuch gebreitet hatte.
Es war nicht wirklich schön gewesen. Keine Trompeten, Harfen oder Schalmeien waren erklungen, obwohl Du jedem Instrument, ganz gleich welchem, dankbar gewesen wärst für ein Geräusch, dass Dich dem Gefühl enthoben hätte, etwas sagen zu müssen. Es war ein persönlicher Urknall gewesen, die Sekunde nach dem Aufeinanderprallen von Unverstand und Verzweiflung – Unverstand auf Deiner, Verzweiflung auf ihrer Seite. Ein Augenblick der Sprachlosigkeit.
Die Früchte von Nachtschattengewächsen können überaus ungenießbar sein, wenn sie nicht voll ausgereift sind, einige sogar giftig. Das hatte sie leider auch erfahren müssen, als sie sich mit Dir eingelassen hatte … und Du Dich mit ihr, in völliger Unterschätzung Deiner Unreife. Sie war deutlich älter gewesen als Du und sie hatte sich ein Kind gewünscht …
Manchmal denkst Du an dieses Kind, das nie gezeugt und somit nie geboren wurde. In diesen „Was-wäre-wenn...“-Momenten bist Du Vater und inzwischen sogar schon Großvater. Aber diese Bilder vergehen. Und wenn sie verblichenen sind, ist mit ihnen auch das Bewusstsein über die inzwischen ins Land gegangenen Jahre verweht und Du bist wieder jung, irgendwie Anfang der Dreißiger oder so. So hast Du Dich schon gefühlt, als Du erst zwanzig warst und so fühlst Du Dich noch immer.
Gut, man sieht Dir an, dass Du älter geworden bist. Doch wenn Du andere Männer taxierst und Bauch an Bäuchen misst, dann kommst Du immer noch ganz gut dabei weg. Und mit einer Mischung aus innerem Vergnügen und Kopfschütteln nimmst Du zur Kenntnis, dass ein paar Knaben im Fitness-Studio, die mindestens Deine Söhne sein könnten, Dich neidvoll anstarren, weil Du Dir einen Bart wachsen lassen kannst und sie nicht. Schließlich ist es ab einem bestimmten Alter nicht mehr wichtig, wofür man bewundert wird, sondern nur noch, dass man bewundert wird. Diese Kinder müssen noch viel lernen ...
Du hast gelernt. Nicht nur aus Deinen Fehlern. Auch aus Deinen Erfolgen. Inzwischen weißt Du, wie das Spiel der Attraktion funktioniert, wann Du reden und was Du dabei sagen und wann Du schweigen und zuhören musst.
Du weißt auch, wie und wann man die richtigen Hilfsmittel zur Verführung richtig einsetzt. Ein gutes Essen zum Beispiel – egal ob mit ahprodisierenden Zutaten oder ohne. Diese wunderschönen Tomaten aus Deinem Garten zum Beispiel könnten in Topf oder Schüssel wandern und Dir helfen, ein Herz zu erobern … auf dem Umweg über den Magen.
Der Herbst beginnt, sagt Dein Kalender. Aber es ist Dir egal. Zumindest redest Du Dir das ein. Die Wahrheit ist jedoch, dass in Dir eine leise Stimme Rilke zitiert: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr,/ wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“. Ein Gedanke, der an der Deiner Ruhe nagt und der Dich hinaus treiben wird, schon heute Abend, auf der Suche nach der Gesellschaft eines anderen Nachtschattengewächses, die mehr sein soll, als ein Abenteuer.
Und was immer Dein Garten und Deine Küche hergeben, diese Suche zu unterstützen, ist höchst willkommen.
Text von Herbert Jost-Hof
Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgt hier nun das Rezept (das Zweite ist vegan).
Tomaten - Quiche
Zutaten für 6 Portionen
1 Blätterteig, rund ausgerollt, mit Backpapier
200 g Käse, geriebener (Emmentaler)
3 Tomate(n), aromatische (Strauchtomaten)
1 Bund Petersilie
1 Knoblauchzehe(n)
6 Tomate(n), getrocknete, in Öl eingelegte, und 2 EL von dem Öl
4 Ei(er)
Salz und Pfeffer
ZubereitungDen Teig mit dem Backpapier in eine runde Quicheform legen, mit wenig Käse bestreuen, mit Tomatenscheiben und Stückchen getrockneter Tomaten flächendeckend belegen, salzen und pfeffern.
Die Eier mit 2/3 vom restlichen Käse verquirlen, salzen, pfeffern und über die Tomaten gießen. Mit Knoblauchwürfelchen und gehackter Petersilie bestreuen, den restlichen Käse darüber streuen. Mit dem Tomatenöl beträufeln und bei 200° 45 Minuten backen (Ofen wird nicht vorgeheizt).
Alternativ kann man natürlich auch mit TK-Blätterteig arbeiten, statt Emmentaler kann man auch Gruyere nehmen, Thymian schmeckt auch hervorragend dazu.
Arbeitszeit: ca. 20 Min.
Tomaten - Kokossuppe
Zutaten für 2 Portionen
1 Zehe/n Knoblauch
1 Stück Ingwerwurzel
1 Dose Tomate(n)
¼ Liter Gemüsebrühe aus ökologischer Landwirtschaft
1 Dose Kokosmilch
50 g Chips (Kokos-)
Meersalz
Öl (kalt gepresst)
Zubereitung
Den Knoblauch und Ingwer fein würfeln und in wenig Öl anbraten. Die Tomaten und die Gemüsebrühe hinzugeben und 20 Minuten kochen lassen. Zum Schluss die Kokosmilch aufgießen und kurz erhitzen. Mit Salz abschmecken.
Die fertige Suppe mit Kokoschips bestreuen.
Arbeitszeit: ca. 10 Min.