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Liebe geht DOCH durch den Magen: Mutters Kartoffelsalat – oder: Das nicht perfekte Leben

Archivmeldung vom 11.08.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.08.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Grafik: Herbert Jost-Hof
Grafik: Herbert Jost-Hof

An irgendetwas muss es doch liegen, wenn es mit den persönlichen Beziehungen nicht so klappt, wie man möchte. Manchmal stellt sich heraus, dass man zu einem Opfer seiner frühkindlichen Prägungen geworden ist. Und die können durchaus auch kulinarischer Art sein.

Da sitzt Du nun auf Deinem Sofa. Die Wohnung um Dich herum ist aufgeräumt und geputzt. So soll es sein. Aber irgendetwas stört Dich. Also schaust Du Dich noch einmal um. Doch da ist nichts, was nicht wohl geordnet wäre. Und als Du das feststellst, begreifst Du: das genau ist der Punkt. Deine Wohnung ist perfekt – aber Dein Leben ist es nicht, denn Du bist es nicht. Zumindest empfindest Du es so. Deshalb passt Du eigentlich gar nicht in dieses Ambiente, das Du Dir geschaffen hast. In diesem Augenblick möchtest Du am liebsten weglaufen.

Dein Blick wandert zu einem Stapel mit Reiseprospekten, die Du im Regal abgelegt hast, fein säuberlich ausgerichtet, Kante auf Kante. Das alles sind mögliche Fluchtziele. Aber im Moment kannst Du ohnehin nicht fort, Du bist noch nicht an der Reihe. Du hast – wie alle Kinderlosen – Urlaub erst nach den Ferien, damit die, die Rücksicht auf die Schulferien nehmen müssen, das auch tun können.

Ein Gedanke, der einen Stich auslöst. Und der Stich sagt: das ist ein Teil des Problems. Du bist Single, immer noch, immer wieder … und – so hast Du zumindest gerade erst vor Kurzem wieder verkündet – immer wieder gern. Es hat Vorteile, wenn niemand da ist, der einem alles durcheinanderbringt. Aber es hat offenbar auch Nachteile, zumindest manchmal … und erst recht, wenn man sich eigentlich etwas anderes wünscht, es sich aber nicht eingesteht.

Irgendwie hat das mit den Beziehungen bisher nie wirklich geklappt. Es waren im besten Fall Aneinanderreihungen von teilweise durchaus sehr schönen Momenten gewesen, die dann irgendwann ein Ende fanden, als sich herausstellte, dass doch alles auf einem Irrtum basiert hatte, einem Missverständnis, einer Verwechslung von Wunsch und Wirklichkeit, Hoffnung und Realität. Was dann jedes Mal folgte, war der – meist geordnete – Rückzug. Immerhin … wenigstens das.„ Ordnung ist das halbe Leben“, heißt es und es scheint zu stimmen. Diese Ordnung war Dir immer wichtig gewesen ...

Du gehst zu Deinem Regal, nimmst die Prospekte heraus und betrachtest sie ohne großes Interesse: Italien, Frankreich, Holland – der Ferntourismus hat Dir noch nie besonders gelegen. Schon als Du noch ein Kind warst, hatte es die Familie im Urlaub immer in diese Länder verschlagen: Papa, Mama, Du und Dein nerviger kleiner Bruder, mit dem Gepäck zusammen verstaut in Eurem Wagen. Zu diesem Reisegepäck hatte auch immer eine Sammlung formschöner Plastikdosen mit Kartoffelsalat gehört und ein Gebinde feinster deutscher Würstchen. Die eiserne Ration für unterwegs, denn man konnte ja nie wissen, wo man etwas Essbares finden würde und schon gar nicht, was.
Da war er wieder, der Ordnungssinn. Und da war auch die Vorsicht. Bei Antritt jeder Reise hatte Deine Mutter in der Angst gelebt, die von ihr zubereitete Menge an Salat würde nicht ausreichen. Und jedes Mal hattet Ihr Mühe gehabt, alles aufzuessen.
Jedes Mal hatten auch geliebte Spielzeuge zuhause bleiben müssen, um der Flut von Kunststoffbehältern Raum zu geben. Und am Ende – wenn Du nun zurückdenkst – hatten alle Länder, die Ihr je bereist habt, immer nur nach dem Kartoffelsalat Deiner Mutter geschmeckt.

Da wird Dir klar, wie weit dieses Erbe reicht, wie sehr es in Dir steckt. Die frühkindliche Prägung hat zugeschlagen, verstärkt von der spätkindlichen und untermauert von mangelnder Einsicht als Erwachsener. Irgendwie war Dein ganzes Leben bisher wie die Reisen Deiner Kindheit - zugeschnürt, eingebunden, absehbar: Versuche, sich vor Fremdem zu schützen und doch etwas Neues zu erleben, diktiert von Ängsten und Unsicherheiten.
So hattest Du auch immer die Menschen ausgewählt, die Deiner Meinung nach für eine ernsthafte Beziehung in Frage kamen: derselbe Typ, passend zu den Mustern der Gardinen, zu den Routinen Deines Lebens. Und wenn sich herausstellte, sie fügten sich so gut in diese Ordnung, dass es langweilig wurde, war es zu Ende gewesen. Oder wenn sich gezeigt hatte, dass sie doch anders waren und von Dir eine Anpassung gefordert wurde.
Kein Wunder also, dass sich nie etwas geändert hat, wenn Du der Veränderung keine wirkliche Chance gegeben hast!

Ja, es wird Dir nun klar, dass Dein Leben ganz und gar nach dem Kartoffelsalat Deiner Mutter schmeckt. Und damit nicht nur nach Mayonnaise und Gewürzgurken, sondern nach Unsicherheit und Enge, überzogener Vorsicht und Angst.
Damit hast Du Dir bisher letzten Endes selbst die Möglichkeit genommen, das zu erreichen, was Du willst: eine Beziehung zu finden zu einem Menschen, der gleichermaßen vertraut ist und doch von Dir verschieden, der zu Dir passt – nicht obwohl, sondern weil er in vielen Dingen anders ist und denkt und handelt.

Das bringt Dich auf eine Idee: Zunächst wandert ein Teil Deiner Reiseprospekte in den Müll. Du willst neue Ideen, neue Aussichten, neue Begegnungen.
Und Du schreibst eine Einladung, die Du an Deine vier engsten Freunde schickst:

Ihr Lieben!

Hiermit lade ich Euch ein zu einer Kartoffelsalat-Probier-Party in meiner Wohnung. Jede und jeder bringt bitte einen handgemachten Kartoffelsalat mit (KAUFEN GILT NICHT!) und zwar NICHT nach Mutters Hausrezept zubereitet (EXOTEN BEVORZUGT!). Für Beilagen sorge ich.

Außerdem bringt, bitte, jede und jeder noch einen lieben Menschen mit, den ich bisher nicht kenne – egal, ob Arbeitskollege, Nachbar oder Schwippschwager. Personen im heiratsfähigen Alter sind gern gesehen, aber im Prinzip spielt das keine Rolle.
Ich freue mich auf Euch, Eure Salate, Verwandten, Freunde und Bekannte – auf neue Geschmacks- und Gesprächserlebnisse!

Ein neues Leben wartet auf Dich. Und ein ganz anderer Kartoffelsalat. Wenn das keine Perspektiven sind …
Guten Appetit … und viel Glück!

Text von Herbert Jost-Hof

Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgt hier nun das Rezept (das Zweite ist vegan).

Griechischer Kartoffelsalat

Zutaten für 4 Portionen
1 kg Kartoffel(n), festkochende kleine
1 Salatgurke(n)
½ Bund Thymian
½ Bund Majoran
500 g Joghurt, griechischer
2 EL Olivenöl
4 EL Milch
10 Tomate(n) (Strauchtomaten)
1 Zwiebel(n)
1 Knoblauchzehe(n)
200 g Schafskäse
Salz und Pfeffer

Zubereitung
Die Pellkartoffeln in 20 Minuten gar kochen. Etwas abkühlen lassen, pellen und in Scheiben schneiden.

Joghurt mit Öl und Milch verrühren. 1/2 Gurke in den Joghurt raspeln. Knoblauch und Zwiebel hacken und dazu geben. Die restliche Gurke und den Schafskäse würfeln und mit den Kartoffelscheiben zum Joghurt geben. Thymian und Majoran von den Stielen rebeln und evtl. noch hacken, wenn die Blättchen noch zu groß sind, dann zum Salat geben. Kräftig mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Die Tomaten vierteln und am besten erst kurz vor dem Servieren unterheben!
Arbeitszeit: ca. 30 Min.

Mediterraner Kartoffelsalat (vegan)

Zutaten für 4 Portionen
12 mittel-große Pellkartoffeln
6 EL Olivenöl
3 EL Balsamico, weißer
3 TL Gewürze für Bruschetta
1 Dose Bohnen, weiße, große
2 Bund Rucola
250 g Tomate(n) (Dattel- oder Cocktailtomaten), halbierte
1 Handvoll Pinienkerne
1 Handvoll Oliven, entsteinte, klein geschnittene
3 Blätter Salbei
3 Stiel/e Basilikum
Salz und Pfeffer

Zubereitung
Die Kartoffeln kochen und anschließend pellen. Die Pinienkerne in einer Pfanne rösten.

Aus Balsamico, Olivenöl, Pfeffer, Salz und Gewürzmischung für Bruschettaeine Salatsauce in einer großen Schüssel zubereiten. Etwa 1/3 der Sauce entnehmen und beiseite stellen.

Die restliche Sauce mit den nicht zu klein geschnittenen Pellkartoffeln vermengen. Nun die weißen Bohnen, die halbierten Tomaten und die klein geschnittenen Oliven hinzufügen. Nun das Basilikum und den Salbei zerkleinern und dazugeben. Einen Teil der Pinienkerne ebenfalls zugeben. Alles vermengen und nach Bedarf abschmecken - möglichst einige Zeit durchziehen lassen (muss aber nicht unbedingt sein).

Den Rucola waschen und oben auf den Salat legen. Zum Schluss das restliche Drittel der Salatsauce und die restlichen Pinienkerne darauf verteilen.

Beim Herausnehmen jeweils zuerst den Kartoffelsalat auf Tellern anrichten und den Rucola wieder oben drauf legen (nicht unterrühren).
Arbeitszeit: ca. 1 Std.

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