Weinkonsum ohne Öko-Reue: Winzer produzieren nachhaltig
Archivmeldung vom 24.08.2017
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNach einer frühen Blüte steht für den Weinjahrgang 2017 die Hauptweinlese frühreifer Sorten unmittelbar vor dem Start. Trauben für den ersten Federweißen werden schon Mitte bis Ende August gelesen werden können. Viele der 20.300 Winzerbetriebe in Deutschland wollen ihre Betriebe zwar verstärkt nachhaltig bewirtschaften.
Doch es fehlen konkrete und anwendbare Standards, um betriebliche Umweltwirkungen und -leistungen zu erfassen und zu bewerten. Ein neuer Handlungsleitfaden, der den Weinbauern beim Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichtes hilft, soll hier Abhilfe schaffen. Und ein „Umweltrechner" ermöglicht es den Winzern, eine betriebliche Datenerfassung der Energie- und Materialaufwendungen vorzunehmen. Entwickelt und umgesetzt wurden Leitfaden und Rechner von der Technischen Hochschule Bingen und 16 deutschen Weingütern und fachlich wie finanziell mit knapp 124.000 Euro unterstützt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Kaum detaillierte Angaben zum Energie- und Wasserbedarf
Ziel des Vorhabens war es, konkrete Umweltentlastungspotenziale in Weinbaubetrieben zu ermitteln, Kriterien zu entwickeln, ihre Nachhaltigkeitsaspekte zu erfassen und zu bewerten und damit die Aktivitäten der Unternehmen in Richtung einer nachhaltigen Unternehmensführung zu unterstützen, erläuterte stellvertretender DBU-Generalsekretär Prof. Dr. Werner Wahmhoff. Viele Betriebe verfügten nämlich kaum über detaillierte Angaben etwa zum Energie- und Wasserbedarf für ihre Produktion, da es an entsprechend differenzierten Messvorrichtungen vorrangig in der Kellerwirtschaft fehle. Sie hätten hierfür zumeist nur eine Messstelle, die gleichzeitig auch den Bedarf für andere Zwecke (z. B. Wohnung, Garten, Gästezimmer) erfasse. Und DBU-Expertin Verena Exner ergänzt: „Das erschwert eine genaue Beurteilung des Verbrauchs in den einzelnen Produktionsphasen.“ Anhand der erarbeiteten Aspekte und Indikatoren sowie durch den Aufbau eines Nachhaltigkeitsnetzwerkes sollten die Betriebe in die Lage versetzt werden, ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten für die Außendarstellung und zur Kundenkommunikation zu nutzen.
Für Handlungsleifaden zusätzliche weinbauspezifische Aspekte und Indikatoren berücksichtigt
Gezeigt habe sich, dass es in der heterogenen Branche des Weinbaus notwendig sei, betriebsspezifische Bedingungen festzulegen, die eine weitere Differenzierung der betrieblichen Umweltleistungen ermöglichten. Daher seien für den Handlungsleifaden zusätzliche weinbauspezifische Angaben – wie Betriebsgröße, die Kunden- und Vertriebsstruktur, die Bewirtschaftungs- und Produktionsweisen sowie die Besonderheiten des Weinanbaugebietes – berücksichtigt worden, die eine Differenzierung und eine vergleichende Darstellung weinbaulicher Organisations- und Betriebsprofile erlaubten. Auf Grundlage der durchgeführten Analyse konnten darüber hinaus weitere sieben branchenspezifische Aspekte mit 25 Indikatoren durch die beteiligten Interessengruppen identifiziert und definiert werden. Dazu zählen in der wirtschaftlichen Kategorie die „Effizienz- und Risikoanalyse“, die „Qualitätskontrolle“ sowie in der ökologischen Kategorie die Ressource „Boden“. In der gesellschaftlichen Kategorie wurden weitere als wesentlich erachtete Aspekte verzeichnet. Sie umfassen die „Betriebsorganisation“, das „Gesellschaftliche Engagement“ und die „Inner- und Überbetriebliche Kommunikation“. Sie decken Aspekte und Indikatoren ab, die aus Sicht der relevanten Personengruppen in herkömmlichen Leitlinien als nicht ausreichend behandelt werden.
Nachhaltigkeitsnetzwerk Weinbau aufgebaut
„In dem Projekt erfolgte eine Analyse der wesentlichen Auswirkungen entlang aller Lebenszyklusphasen der Weinproduktion auf Grundlage international anerkannter Leitlinien. Dabei fand die gesamte Produktionskette vom Herrichten der Weinbergfläche über die Kellerwirtschaft bis hin zum Vertrieb Beachtung“, erläutert Desiree Palm¬es von der Technischen Hochschule Bingen. Vorhandene Ansätze, Nachhaltigkeitsaspekte in Kleinunternehmen und in der Landwirtschaft zu erfassen und zu bewerten, seien berücksichtigt worden. Ermittelt worden seien positive Beispiele betrieblicher Aktivitäten mit potenziellem Nachahmungseffekt. Ein Nachhaltigkeitsnetzwerk Weinbau sei aufgebaut worden und binde verschiedene Verbände und Institutionen ein. Der Wilhelmshof in Siebeldingen habe im Rahmen des Projektes einen Nachhaltigkeitsbericht erarbeitet, der am ersten Septemberwochenende im Rahmen einer Jahrgangspräsentation der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
Reihe von „Einsteigern" für nachhaltiges Wirtschaften sensibilisiert
Über die Projekthomepage http://iesar.fh-bingen.de/projekte/Nachhaltigkeit-im-Weinbau/NiW_projekte.php hätten Winzer nun die Möglichkeit, sich über Aktivtäten des nachhaltigen Wirtschaftens zu informieren. Durch Fachveranstaltungen sei den Weingütern der Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung veranschaulicht worden. So seien Weingüter auf dem Weg zu ihrem eigenen Nachhaltigkeitsbericht begleitet, aber auch eine Reihe von „Einsteigern" für das Thema des nachhaltigen Wirtschaftens sensibilisiert worden.
Erstmals ganzheitliches ökologisches Erfassen aller Betriebsprozesse
Wahmhoff: „Die Projektergebnisse erlauben es nun erstmals kleinen und mittelständischen Winzerbetrieben, eine ganzheitliche ökologische Erfassung und Bewertung aller Betriebsprozesse durch den ‚Umweltrechner‘ vom Einkauf über Anbau bis zur Produktion und Vermarktung vorzunehmen. Das Vorhaben zeichnet sich darüber hinaus dadurch aus, dass auch erste Lehrmodule an den Weincampus Neustadt und die Weinbauschule in Bad Kreuznach weitergereicht wurden, die eine fachlich aktualisierte Grundlage für die Lehre im Weinbau darstellt.“
Quelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) (idw)