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Liebe geht DOCH durch den Magen: Zwiebeln und Geheimnisse

Archivmeldung vom 06.10.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.10.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Grafik: Herbert Jost-Hof
Grafik: Herbert Jost-Hof

Wer versteht schon wirklich im Detail, was zwischen zwei Menschen vorgeht? Und wer möchte es eigentlich so ganz genau wissen, wenn es sich dabei um die eigenen Eltern oder Großeltern handelt? Mitunter, so zeigt sich, ist der Geschmack der Liebe – in jeder Hinsicht – einfach nur erstaunlich.

Es gibt für alles Grenzen. Das ist ganz natürlich. Und es gilt natürlich auch für die menschliche Vorstellungskraft ebenso, wie für jene Form der Neugier, die man gern als „zwischenmenschliches Interesse“ bezeichnet.
Bestimmte Dinge möchtest Du deshalb nicht wissen und Du möchtest sie Dir auch nicht vorstellen. Zum Beispiel, dass Deine Eltern Sex miteinander hatten. Obwohl die Tatsache unbestreitbar ist, denn schließlich bist Du der lebende Beweis dafür, ist dieser Gedanke mindestens eigenartig. Vielleicht gerade deshalb, weil Du der lebende Beweis dafür bist. Das alles betrifft Dich selbst viel zu sehr, um wirklich angenehm sein zu können.
Ja, natürlich: Herrn Freud würden für dieses Unbehagen noch viel mehr Gründe einfallen, die mit frühkindlichen Fixierungen und Tabus zu tun haben. Aber Herr Freud, so schade das auch ist, lebt nicht mehr; was Dir irgendwie das Gefühl vermittelt, ihn und seine Theorien wenigstens hier ignorieren zu dürfen.

Zärtlichkeit – das ist etwas anderes. Zu beobachten und zu wissen, dass es diese innigen Gefühle zwischen Deinen Eltern gibt, ist angenehm. Es berührt Dich in einem sehr positiven Sinn und mitunter fragst Du Dich, wie sie es geschafft haben, diese Empfindungen zu bewahren durch all die Jahre der Routinen, großer und kleiner Zerwürfnisse und anschließender neuerlicher Annäherung. Vor allem aber fragst Du Dich, ob Du dazu in der Lage wärst, so lange und – ganz offenbar – auch so tief zu empfinden.

Das ist das Bild, das Du von Deinen Ahnen hast: sie waren beständig. Nicht in allen Dingen. Und mit Geld zum Beispiel konnte eigentlich keiner von ihnen wirklich umgehen. Aber in ihrem Gefühlsleben waren sie gefestigte, gestandene Männer und Frauen. Denkst Du. Und dann fällt Dir diese Metallkassette in die Hände, die von Deiner Großmutter väterlicherseits stammt. Dieses nicht große, aber ziemlich schwere, garantiert feuerfeste Behältnis ist eine Legende in Eurer Sippe und es ist irritierend zu sehen, dass es sie wirklich gibt.

Du warst Deinen Großeltern nie besonders nahe. Dafür habt Ihr einander auch zu selten gesehen. Was ihre Ehe betrifft, so sind Deine Vorstellungen irgendwie vage. Du weißt, dass der Mann, den Du als Deinen Großvater kanntest, der zweite Gatte Deiner Großmutter war und nicht der leibliche Vater Deines Vaters, von dem sie sich früh hatte scheiden lassen. Du erinnerst Dich auch daran, dass Deine Großmutter im Alter aufgrund ihrer offensichtlich schlecht medizinisch versorgten Diabetes wunderlich geworden war. So hatte sie den Bildschirm ihres Fernsehgerätes mit einem Tuch verhängt, da sie der festen Überzeugung gewesen war, ihr Mann, den sie zu dieser Zeit mit größtem Argwohn betrachtet hatte, besäße einen Computer, mit dessen Hilfe er sie durch ihren Fernseher beobachten könnte, denn schließlich hätte sie in der Zeitung gelesen, was die Technik alles vermochte.
Die beiden hatten damals unter einem Dach gelebt und sie war von ihm abhängig gewesen, da sie – auch das eine Folge ihrer Diabetes – nicht mehr gut zu Fuß gewesen war.

Aber dann war da auch noch eine Geschichte, die Du angehört hattest, lange vor dieser Zeit. Es war eine von den Kriegssagas gewesen, die Dich als Kind nicht wirklich interessiert hatten. Deine Großmutter hatte in Deinem Beisein davon gesprochen und es hatte sich Dir aus zwei Gründen ins Gedächtnis gebrannt. Einer war, dass sie dabei fast geweint hatte und es war das einzige Mal gewesen, dass Du Tränen in ihren Augen gesehen hattest.

Die genaueren Umstände sind Dir nun schon lange nicht mehr präsent. Woran Du Dich jedoch noch gut erinnern kannst, ist, dass Deine Großmutter nach Ende des Krieges auf die Rückkehr Ihres Mannes gewartet hatte. Dann hatte sie Nachricht erhalten, dass er aus der Gefangenschaft freikommen würde. Und sie war losgelaufen, um zu sehen, was sie bekommen konnte, um seine Rückkehr zu feiern. Sie wollte irgend etwas Besonderes für ihn. Aber sie hatte kein Geld. Und abgesehen davon hatte es ohnehin kaum etwas Eßbares gegeben.
Am Ende war alles, was sie ihm hatte bieten können, eine frische Zwiebel gewesen. „Und was hätte ich damit anfangen sollen?“, hörst Du noch die Stimme Deiner Großmutter. „Ich hätte ihm gern den Zwiebelkuchen gebacken, den er so gern gegessen hat. Aber da war doch nichts zu kriegen, um irgendwas zu backen.“
Dein Großvater, der daneben gesessen hatte, hatte gesagt: „Und ich hab' sie gegessen wie einen Apfel. Und es hat so gut geschmeckt.“ Das war der zweite Grund, warum Du die Geschichte nicht vergessen hattest: weil es Dich bei dem Gedanken vor Ekel geschüttelt hatte.
Du weißt auch noch, dass da dieser winzige Moment gewesen war zwischen diesen beiden Menschen, die Dir aus Deiner Kinderperspektive uralt erschienen waren, diese kurzen, fast scheuen Seitenblicke, die einander begegneten. Sie trieben Deiner Großmutter das Wasser aus den Augen und Deinen Großvater aus dem Raum. Heute weißt Du natürlich, dass er seine Rührung nicht zeigen wollte.

Daran musst Du denken, als Du aus der Metallkassette einen kleinen Stapel Feldpostkarten zutage förderst und wenige Briefe, die Dein Großvater an seine Frau geschrieben hatte während des Krieges und die alle beginnen mit „Mein Mariechen!“.
Und dann ist da plötzlich, zwischen allen möglichen Papieren, deren Bedeutung mit Deinen Großeltern untergegangen ist, zwischen Gebrauchsanweisungen für Elektrogeräte, die seit Jahrzehnten nicht mehr existieren und vergilbten Bildern von Menschen, deren Gesichter Du nicht kennst, plötzlich die Durchschrift eines Briefes. Er datiert vom Jahr nach Deiner Geburt und er belegt, dass Deine Großeltern sich in jenem Jahr haben scheiden lassen.

Das ist verwirrend, denn Du kannst Dich beim besten Willen nicht besinnen, je etwas davon gehört zu haben. Und sie haben auch immer zusammen gelebt … Ein Mysterium. Ein Geheimnis in Eurer Familie, von der Du bislang geglaubt hast, sie zeichne sich durch ihre absolute Durchschnittlichkeit, um nicht zu sagen: Langeweile, aus.

Was war zwischen diesen Menschen vorgefallen, dass sie getrennt hatte und dass sie doch zusammenbleiben ließ?
Natürlich sind Dir in diesem Augenblick wieder die Tiraden Deiner Großmutter präsent, die sie gegen Deinen Großvater losgelassen hatte, als es ihr gesundheitlich schlecht gegangen war. Aber da ist auch die Erinnerung daran, dass sie nach einem Wechsel des Arztes und damit wohl auch ihrer Medikation für fast ein Jahr – das letzte ihres Lebens – wie ausgewechselt gewesen war und die beiden plötzlich eine Innigkeit gezeigt hatten, die das komplette Gegenteil ihrer vorherigen Beziehung gewesen war.
Wenn Du in diesen Monaten zu Besuch gekommen warst, hatte es immer an einem Mittwoch sein müssen, denn dann hatte es beim Um-die-Ecke-Bäcker frischen Zwiebelkuchen gegeben, den Dein Großvater für Dich geholt hatte. Oder vielleicht eher für sich selbst, denn er hatte ihn mehr genossen als Du. Ja, der Geruch und der Geschmack sind noch da, sie kehren zurück, während Du daran denkst.

Selbstverständlich verstehst Du heute, was die Zwiebeln für Deine Großeltern bedeutet haben … was Dich jedoch nicht daran hindert, den Gedanken, eine rohe Zwiebel zu essen, immer noch eklig zu finden. Es war für sie der Geschmack der Liebe gewesen, etwas, das sie geteilt hatten, so wie die Geheimnisse um das Auf und Ab ihrer Beziehung, auf die Du nun gestoßen bist.

Vorsichtig nimmst Du die papiernen Zeugnisse einer fast fünfzigjährigen Liebe und legst sie zurück in die metallene Kassette, den Bewahrer von Kostbarkeiten. Und während Du es tust, denkst Du nach über die Haltbarkeit von Gefühlen … und über den Geschmack von Liebe, den Du – so hoffst Du zumindest – auch irgendwann einmal kennen lernen wirst.

Text von Herbert Jost-Hof

Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgt hier nun das Rezept (das Zweite ist vegan).

Zwiebelkuchen

Zutaten für 1 Portion
Für den Teig:
700 g Kartoffel(n)
150 g Mehl
1 Ei(er)
1 TL Salz
Öl für die Form
Mehl für die Form
Für die Füllung:
700 g Zwiebel(n)
1 EL Öl
200 g saure Sahne (10 % Fett)
2 Ei(er)
1 TL Salz
etwas Pfeffer, schwarzer aus der Mühle
etwas Kümmel, ganz

Zubereitung
Die Kartoffeln schälen, waschen, in große Stücke schneiden und etwa 25 min. weich kochen. Die gegarten Kartoffeln abgießen und mit dem Kartoffelstampfer zerdrücken. Das Ei unterrühren, salzen, das Mehl untermengen und den Teig zur Seite legen.

Eine Glasform (30 cm) einfetten und mit etwas Mehl bestreuen. Den Kartoffelteig darauf verteilen und mit den Händen in die Glasform drücken, dabei einen Rand formen.

Für die Füllung die Zwiebeln schälen und mittelgrob schneiden. Öl in eine beschichtete tiefe Pfanne geben und erhitzen. Die Zwiebeln darin anschwitzen, gelegentlich umrühren. Die Zwiebeln abkühlen lassen und Kümmel hinzufügen. In einer Schüssel Eier und saure Sahne mit dem Schneebesen verschlagen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit den Zwiebeln vermengen.

Die Füllung gleichmäßig auf dem Kartoffelteig verteilen und im vorgeheizten Ofen bei 180°C 40 min. backen.
Arbeitszeit: ca. 30 Min.

Zwiebelkuchen vegan

Zutaten für 1 Portion
300 g Mehl (Weizenmehl)
20 g Hefe
80 g Margarine oder Öl
1 EL Fruchtdicksaft nach Geschmack
1 TL Salz
125 ml Wasser
800 g Zwiebel(n)
3 Stange/n Lauch, in Ringe geschnitten
250 g Räuchertofu, sehr fein gewürfelt
375 ml Wasser
1 TL Agar-Agar
80 g Cashewnüsse
1 TL Kräutersalz
2 TL Gemüsebrühe (Instant)
½ EL Zitronensaft
Salz und Kümmel

Zubereitung
Weizenmehl, Hefe, Margarine,  Fruchtdicksaft , den TL Salz und das Wasser zu einem Teig verkneten und auf einem gefetteten Backblech auslegen. Das Blech an einen warmen Ort stellen, damit der Teig gehen kann.
Für den Belag die Zwiebeln und den Lauch in Öl andünsten, dann Salz, Kümmel und den Räuchertofu untermengen. Beiseite stellen.
Die Cashews mit ca. 100 ml Wasser vermixen, das restliche Wasser mit dem Agar Agar aufkochen. Danach alle Zutaten mischen und abschmecken. Diese Masse wird unter die Zwiebel-Lauchmischung gemengt.
Alles auf dem Teig verteilen und erneut einige Minuten gehen lassen. Bei 200°C 20-40 Minuten backen.
Arbeitszeit: ca. 45 Min.

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