Liebe geht DOCH durch den Magen: Karpfe Diem!
Archivmeldung vom 31.12.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.12.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit Beginn eines neuen Jahres können sich auch neue Beziehungen ergeben. Warum nicht gleich den Neujahrstag dafür nutzen? Sollten sich kleinere Schwierigkeiten hinsichtlich der Auswahl der richtigen Mahlzeiten ergeben, kann ein wenig Abstraktion durchaus weiterhelfen.
Weihnachten ist vorbei. Das Jahr ist kurz geworden. Das Leben in der Stadt ist ruhiger als sonst und die Menschen scheinen sich irgendwie und -wo zwischen Überfütterung, Umtauschaktionen und dem Erwerb von Feuerwerkskörpern eingerichtet zu haben.
Da bist Du und da ist er, der Karpfen. Ihr wollt den Neujajrstag zumindest teilweise gemeinsam verbringen, wobei wenigstens einer von Euch beiden auf der Strecke bleiben wird. Und bei genauerer Betrachtung sehen die Chancen für den Karpfen wirklich nicht gut aus.
Du selbst bist eigentlich kein so großer Freund von Fischen, egal ob aus fließenden oder stehenden, aus mutmaßlich süßen oder erwiesen salzigen Gewässern. Aber er liebt Karpfen – überhaupt und speziell zu Neujahr. Denn es ist eine Tradition in seiner Familie, den Jahreswechsel mit einem dergestaltigen Mahl zu begehen. Und wer würde sich schon gegen Traditionen auflehnen, erst recht, wenn man sie doch viel besser nutzen kann, um endlich mit jemandem zusammen zu sein, mit dem man das schon immer sein wollte?
Gut, “immer” ist vielleicht übertrieben, schließlich kennt Ihr einander erst seit fünf Jahren. Doch das ist eine ziemlich lange Zeit für Menschen in Deinem Alter und Du bist froh, dass er Dir endlich diese Chance gegeben hat.
Ihr hattet über die Dinge geredet, mit denen man zum Jahresende eben Konversationen bestreitet: die Pläne für Weihnachten, das zu erwartende Wetter, die Not bei der Auswahl der richtigen Geschenke … Essen und Trinken.
Seit Du in seinem Geschäft einkaufst, eben seit fünf Jahren, hatte es immer wieder einmal Gelegenheiten gegeben, miteinander ein paar Worte zu wechseln, Belanglosigkeiten. Doch mit jedem Mal hattest Du gespürt, wie Dein Interesse an ihm gewachsen war. Damit hatte sich das Problem entsprechender Alibis eingestellt. Hätte er eine Bäckerei wäre es einfach gewesen. Aber ein Elektrogeschäft? Wie viele Batterien oder Glühbirnen braucht ein Mensch eigentlich? - Jedenfalls nicht so viele, wie Du inzwischen in Deiner Wohnung hortest.
Gut, Du konntest ihn auch immer wieder aufsuchen, um ihr nach seiner Meinung oder nach Tipps zu fragen bezüglich der Konditionen von Telefonverträgen oder des richtigen Internet-Providers, einer bestimmten Software oder den Vorzügen von Schutzschilden für Deinen PC. Glücklicherweise wusste er über all diese Dinge bestens Bescheid und er hatte offensichtlich ebenso viel Freude an Euren Gesprächen wie Du.
Dann tauchten die ersten privateren Dinge in der Unterhaltung auf. Er war los und ledig und – zu Deinem großen Vergnügen und Deiner Erleichterung – a) einer Beziehung nicht grundsätzlich abgeneigt und b) durchaus an Dir interessiert. Es war nicht schwer, das zu bemerken, denn die Vorlaufzeit, die Ihr brauchtet, um von einem sachlichen Anlass zu persönlichen Fragen zu kommen, wurde immer mehr verkürzt, woran er aktiven Anteil hatte.
Dann schließlich diese Geschichte mit Neujahr und dem Karpfen. - “Carpe Diem!”, dachtest Du Dir, als er Dir erzählte, er werde an Neujahr allein sein; wobei sich der Gedanke, den Tag zu nutzen, in gleicher Weise auf die Situation des Gesprächs bezog, wie auf den ersten Tag im Jahre 2014. So hattest Du ihn eingeladen und ihm einen Karpfen versprochen. Mit dem Echo seiner erfreuten Zusage im Ohr hattest Du ihn verlassen, auf einer kleinen Wolke schwebend, die Dich dann noch weiter getragen hatte.
Deine Freundin Karin hatte Dir eine Empfehlung gegeben, wo Du den Karpfen am besten kaufen und wie Du ihn zubereiten solltest. Sie hatte Dir bei Letzterem sogar Ihre Hilfe angeboten.
Alles war perfekt gewesen, nichts hatte schiefgehen können … bis Du schließlich vor dem Karpfen gestanden hattest. Karin hatte vergessen zu erwähnen, dass es bei diesem von ihr empfohlenen Händler darum ging, sich ein lebendes Tier auszusuchen, das dann speziell für Dich sein Leben aushauchen würde.
Obwohl Dir Fische nicht besonders nahestehen, war das eindeutig zu viel für Deine Nerven. Die kleine Wolke unter Dir verflüchtigte sich und mit harten Knall landetest Du unsanft wieder in der Wirklichkeit.
Nein, beim besten Willen, das ging nicht! Dummerweise war Dir plötzlich auch der Gedanke an einen bereits dahingegangenen Fisch nicht mehr sympathisch. Und so fielst Du der Verzweiflung anheim, ergabst Dich – wieder zuhause angekommen – in mäßigem Umfang dem Trunke ob des Dilemmas (nach dem dritten Glas Eierlikör war Dir bereits übel).
Nach einer halben Stunde intensiven Jammerns und Wehklagens riefst Du erneut Karin an und um Hilfe …
Nun stehst Du vor ihm. Da bist Du und da ist der Karpfen. Er sieht phantastisch aus, größer als der, den man Dir als Opfer Deines neujahrstäglichen Rendezvous angeboten hatte.
Du strahlst den Mann Dir gegenüber an, der ihn Dir auf einer silbernen Platte entgegen hält. Mit einem Blick zu Karin, die neben Dir steht, siehst du, wie sie aufmunternd nickst. Also nickst Du auch und nun nickt auch der Mann mit dem Karpfen.
“Phantastisch!” lobst Du ihn. Der Konditor ist erfreut.
Es ist erstaunlich, was man aus Biskuitteig, Marzipan und Zuckerguß alles herstellen kann!
Du wirst es ihm erklären, wenn er an Neujahr zu Dir kommen wird. Er wird verstehen, dass Du nur um seiner Familientradition willen nicht über Deinen Schatten springen konntest. Er wird es verstehen und er wird Dich loben für Deinen Einfallsreichtum (Du musst ihm ja nicht sagen, dass es nicht wirklich Deine Idee gewesen ist, dem Problem so zu begegnen). Zumindest hoffst Du, dass es so sein wird. Aber wenn nicht, dann ist er wohl – allen Herzklopfens in seiner Gegenwatrt und aller guten Gespräche zum Trotz – einfach doch nicht der Richtige ...
Alles Gute zum Neuen Jahr, ob mit Karpfen oder ohne, ob mit echtem Fisch oder Kuchen, Salzgebäck oder Kartoffelsalat!
Möge das Jahr 2014 Ihnen viele kulinarische Genüsse bringen und viele glückliche Augenblicke mit Menschen, die Sie lieben!
Text von Herbert Jost-Hof
Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgen hier nun zwei Rezepte, eines davon vegetarisch.
Karpfen blau
Rezept für 4 Portionen
Zutaten
1 Bund Suppengrün, (gewürfelt)
1 Lorbeerblätter
10 Pfeffer, - Körner
3 Gewürznelken
5 Piment, - Körner
1 Zwiebel(n)
2 EL Meersalz
6 EL Essig
1 Karpfen, (küchenfertig)
2 Liter Wasser
Zubereitung:
Wasser mit Suppengrün, Lorbeerblatt, Pfefferkörnern, Gewürznelken, Pimentkörnern, Zwiebel, Salz und Essig in einem ovalen Topf (Bräter) zum kochen bringen und etwa 5 Min. kochen lassen. Karpfen unter fließend kaltem Wasser abspülen, auf einem Einsatz in das kochende Wasser geben. Topf sofort zudecken, zum kochen bringen und den Karpfen in 30-35 Min. gar ziehen lassen. Der Fisch ist gar, wenn sich die Rückenflosse leicht herausziehen lässt. Den garen Fisch auf einer vorgewärmten Platte anrichten.
Arbeitszeit: ca. 50 Min.
Neujahrsbrezel
Rezept für 1 Portion
Zutaten
300 ml Milch
1 EL Honig
700 g Mehl
3 mittelgroße Ei(er)
1 TL Meersalz
100 g Butter, zerlassene
Zubereitung:
Die Milch auf ca. 30°C erwärmen, Hefe mit Honig darin auflösen. Aus allen Zutaten mit den Knethaken der Küchenmaschine einen glatten Teig herstellen, an einem warmen Ort ca. 45 Minuten gehen lassen.
Von Hand noch auf der bemehlten Arbeitsfläche leicht zusammenkneten, einen großen Strang mit den Händen ausrollen und auf einem mit Backpapier belegten Backblech zur Brezel schlingen. Mit Teigresten nach Gusto verzieren: Zopf, Ornamente, Jahreszahl, Namen usw..
Zugedeckt nochmal ca. 20 Min. gehen lassen, dann auf der 2. Schiene von unten bei Umluft 170°, Ober/Unterhitze 190°C, Gas Stufe 2 in 30-35 Minuten hell goldbraun backen.
Keinesfalls mit Eigelb bestreichen, die Brezel wird sonst zu dunkel und fleckig braun! Auch wird die Eistreiche gerne etwas bitter.
*Das Originalrezept sieht 100 g Honig oder Zucker vor: da heute die Brezel viel zum Mitternachtsbüffet oder Neujahrsbrunch gereicht wird, beinhaltet das Rezept die neutrale Version mit nur 1 EL Honig, die zu allem passt: mit Schmand oder Crème fraîche und Lachs, zu Heringssalat, Schinken, würzigem Käse und Marmeladen.
Die Neujahrsbrezel war das Neujahrsgeschenk an das Patenkind und wurde oft mit kurzen Sprüchen übergeben, z. B. "Ällas Guade im Neia Johr ond a Bräzel wia a Scheuradoor!" oder "Soviel Kreuzer wie d'Katz hat Hoor ond a Bräzel wia a Scheuradoor!" Gute Patenkinder bedachten dann im Erwachsenenalter die alten Patenonkel und Patentanten umgekehrt mit einer Neujahrsbrezel.Arbeitszeit: ca. 30 Min.