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Heißhunger durch Cannabinoide: Unerwarteter Mechanismus zur Steuerung des Essverhaltens entdeckt

Archivmeldung vom 19.02.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.02.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Marihuana
Marihuana

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Bestimmte Nervenzellen, die normalerweise ausschließlich darauf gepolt sind, den Appetit zu drosseln, können, beeinflusst durch Inhaltsstoffe der Hanfpflanze (Cannabinoide), die gegenteilige Wirkung entfalten und so Heißhunger auslösen. Eine Feststellung, die nicht nur eine deutsch-amerikanische Wissenschaftlergruppe erstaunte. Ihre Erkenntnisse zur Appetit-anregenden Wirkung von Cannabinoiden wurden jetzt auch im international renommierten Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.

Cannabinoide kommen in der Hanfpflanze vor und sind biochemische Botenstoffe, die Reize zwischen Nervenzellen weitergeben. Damit ihre Nachricht in der Reizempfangenden Zelle gelesen werden kann, hat sie eine Art Aufnahmeeinrichtung, die sogenannten Cannabinoid-Rezeptoren, erläutert der Leipziger Neuroanatom Marco Koch, der seit vielen Jahren an den Effekten von Cannabinoiden im Gehirn arbeitet. “Es ist ja seit längerem bekannt, dass Konsumenten von Marihuana Heißhunger entwickeln. Der Effekt tritt sogar dann auf, wenn ihr Magen gut gefüllt ist. Mit dem Cannabinoid 1-Rezeptor ist der für die Appetit-stimulierende Wirkung verantwortlichen Rezeptor bekannt. Noch nicht ganz klar ist jedoch, welche Mechanismen für den Heißhunger tatsächlich verantwortlich sind und das wird unter Forschern nach wie vor kontrovers diskutiert.“

Im Hypothalamus-Areal des Gehirns gibt es eine Gruppe von spezialisierten Nervenzellen, die nach einer Mahlzeit aktiv wird und Sättigungsgefühl auslöst. Dabei handelt es sich um sogenannte Pro-opiomelancortin-haltige Nervenzellen oder kurz POMC-Neurone. Sie drosseln den Appetit, indem sie ein bestimmtes Hormon freisetzen. Es sorgt dafür, dass sich ein Organismus satt fühlt. „Da komplett gesättigte Mäuse, nach einer Injektion von Cannabinoiden weiter fraßen, gingen wir zunächst selbstverständlich davon aus, dass dadurch die Appetit-zügelnden POMC-Neurone ausgeschaltet würden“, beschreibt Koch die Erwartungshaltung der Wissenschaftler vor den Untersuchungen. Überraschender Weise stellten die Forscher jedoch fest, dass die POMC-Neurone keineswegs ausgeschaltet, sondern ganz im Gegenteil tatsächlich aktiviert wurden. Und noch überraschender veränderten sie ihre Bestimmung und feuerten den Hunger sogar noch an. Die Cannabinoide polten die POMC-Neurone um und brachten sie dazu, ein hungrig machendes Hormon als Botenstoff freizusetzen. Dieses „Hunger-Hormon“, das Beta-Endorphin, veranlasste die satten Mäuse weiter zu fressen. „Zur Gegenkontrolle haben wir die Rezeptoren für das Beta-Endorphin blockiert, bevor wir die Cannabinoide injizierten. Und tatsächlich, dann haben die Mäuse nicht mehr gefressen.“

Möglicher Therapieansatz für Adipöse

Aufgrund der dramatisch ansteigenden Zahl von Menschen mit starkem Übergewicht hat sich eine internationale Wissenschaftlerkooperation besonders für das Essverhalten interessiert. Marco Koch, Mitarbeiter am Institut für Anatomie der Universität Leipzig, hat in den vergangenen Jahren mit Tamas Horvath an der US-amerikanischen Yale Universität geforscht und dabei auch mit Kollegen aus Dallas und dem australischen Clayton zusammengearbeitet. Ihre aktuell veröffentlichten Erkenntnisse könnten in Zukunft auch in Leipzig noch größere Bedeutung entwickeln. Mit dem Sonderforschungsbereich „Mechanismen der Adipositas“ und dem Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositas-Erkrankungen bestehen an der Universität Leipzig zwei überregionale Kompetenzzentren, die sich unter anderem damit beschäftigen, wie das menschliche Gehirn das Essverhalten steuert. „Möglicherweise können unsere Ergebnisse beitragen, Therapien zur Behandlung von Essstörungen zu entwickeln“, weist Koch auf eine mögliche medizinische Anwendung hin.

Quelle: Universität Leipzig (idw)

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