Wie Pfeffer und Zimt jahrtausendelang den Lauf der Dinge beeinflusst haben
Archivmeldung vom 27.10.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm 20. Mai 1498 landete der tollkühne Seefahrer Vasco da Gama an der Pfefferküste im Südwesten Indiens, um Weltgeschichte zu schreiben. Er hatte Afrika umrundet, die Stürme Kap Hoorns überlebt, das Tor zu einem neuen Ozean aufgestoßen. Jetzt wurde er von den misstrauischen Einheimischen nach dem Grund seiner Reise gefragt und gab ihnen den Satz zur Antwort, der alles über die Bedeutung der Gewürze in der Geschichte der Menschheit sagt: "Wir sind gekommen, um Christen und Gewürze zu suchen."
Die Sehnsucht nach Pfeffer und Zimt, Muskatnuss und Ingwer ist - neben der Kraft des Glaubens - seit 5000 Jahren eine der wichtigsten Antriebsfedern menschlichen Handelns. Sie ist so stark, dass man die Geschichte der Zivilisation mit allem Recht auch als Geschichte der Gewürze schreiben kann. Denn ohne die Gewürze wäre die Welt eine andere, als sie heute ist. Das Buch "Meine Reise in die Welt der Gewürze" von Alfons Schuhbeck (Verlag Zabert Sandmann, 394 S., 24,95 EUR) zeigt diese Analogie, laut Aussage des Verlags, in einer bislang unerreichten Tiefe und Ausführlichkeit:
Schon in Mesopotamien und im Ägypten der Pharaonen spielten Gewürze eine zentrale Rolle im Leben und Denken der Menschen. Es ist gewiss kein Zufall, dass die beiden ersten Hochkulturen genau dort entstanden, wo Gewürze intensiv angebaut, verwendet und gehandelt wurden - ganz so, als seien sie der beste Humus für Zivilisation. Die Babylonier machten ihre Speisen mit Koriander bekömmlicher und ihr Brot mit Sesam aromatischer. Die Ägypter liebten Pfeffer und vergötterten Knoblauch. Letzterer ist sogar für den ersten dokumentierten Streik der Weltgeschichte verantwortlich: Beim Bau der Cheops-Pyramide gehörte Knoblauch nicht zuletzt wegen seiner antiseptischen Wirkung zu den Grundnahrungsmitteln der Arbeiter. Und als er einmal knapp wurde, probten sie so lange den Aufstand, bis die Zehen wieder in ausreichenden Mengen ausgeteilt wurden.
Später, in der Antike, waren beispielsweise für die Griechen all jene Völker Rabauken, die weder die Kunst des Kochens noch des Würzens beherrschten. Doch allein kulinarisch lässt sich die Bedeutung der Gewürze nicht erklären. Denn sie retteten auch Leben. Jahrtausende lang, bis weit ins 19. Jahrhundert, waren sie die einzige wirksame Medizin, die den Menschen zur Verfügung stand, um gesund zu werden oder gesund zu bleiben. Salbei ist bei Atemwegserkrankungen extrem effektiv, Koriander ein Segen für die Verdauung und Safran bei Augenentzündungen hochwirksam. Pfeffer befördert die Entgiftungsfähigkeit der Leber, Bockshornklee hilft bei Diabetes, und Ingwer beugt Arteriosklerose vor. Das alles hatten antike Ärzte wie Hippokrates, Galen von Pergamon oder Dioskurides erkannt.
Nicht zuletzt deshalb kam der Gewürzhandel niemals zum Erliegen in der Menschheitsgeschichte. Ja, er prägte sie: Die geistige und zivilisatorische Blüte des antiken Abendlandes etwa von 500 vor bis 400 nach Christus ist identisch mit jener Zeit, als Griechen, Phönizier und Römer den Gewürzhandel rund um das Mittelmeer und weit darüber hinaus dominierten. Der Niedergang des Abendlandes nach dem Kollaps des Römischen Reiches bedeutete in Europa auch den Anbruch einer Epoche, in der exotische Gewürze kaum eine Rolle spielten. Europa verfiel in ein kulinarisches Analphabetentum, hätte es nicht die arabisch-islamische Küche gegeben. Sie beflügelte die europäische Küche aufs Neue.
Allmählich gewann die arabisch-islamische Welt die Kontrolle über den Gewürzhandel - und genau jetzt, im siebten und achten Jahrhundert, begannen ihr Aufstieg und ihre Blüte, die so lange dauerten, solange die Araber die Herren der Gewürze waren. Und die Renaissance Europas im späten 15. und 16. Jahrhundert fällt exakt in die Zeit der überseeischen Expansion Spaniens und Portugals, deren wichtigstes Motiv, wie eingangs erwähnt, die Suche nach Gewürzen war. Nach diesen triumphalen Fahrten dauerte es nicht lange, bis die Europäer wieder den weltweiten Gewürzhandel beherrschten - und bald auch die ganze Welt.
Quelle: Verlag Zabert Sandmann GmbH (ots)