Experten debattieren über fatale Computer-Panne
Archivmeldung vom 19.07.2024
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.07.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićNach der weltweiten Computerpanne ist die vordergründige Ursache schnell in einem Sicherheitsupdate der Firma Crowdstrike für Microsoft gefunden worden, doch wieso die nicht vermeidbar war, ist weiter unklar. Rund um den Globus gab es massive Ausfälle und Störungen in Flughäfen, Banken, Krankenhäusern und weiteren Branchen.
Sahin Albayrak, Professor und Leiter des Distributed Artificial
Intelligence Laboratory (DAI-Labor), sieht die Lösung in besseren Tests:
"Die Welt ist stark von der Cloud und wenigen Firmen abhängig, die
zentrale Internetdienste bereitstellen", sagte Albayrak am Freitag der
dts Nachrichtenagentur. "Heute zeigt sich erneut, dass schon ein
einzelnes Update erhebliche Probleme verursachen kann. Das Risiko
solcher Fehler kann nur durch sorgfältige Entwicklung und umfassende
Tests minimiert werden, was jedoch zeit- und kostenintensiv ist." Auch
die Nutzer könnten Updates vor dem Rollout testen, aber auch das biete
keine vollständige Sicherheit. "Der aktuelle Ausfall ist ärgerlich und
kostspielig, aber eines der unvermeidbaren Risiken einer digitalisierten
Welt."
"Hier hat jemand wirklich Mist gebaut", sagte der
finnische IT-Sicherheitsexperte Mikko Hyppönen dem Nachrichtenportal
T-Online. Das Problem bei der Wiederherstellung der Systeme ist laut
Hyppönen, dass es sich bei dem fehlerhaften Treiber um ein
Sicherheitsprogramm mit Administratorrechten handelt. Dadurch stürzen
die betroffenen Geräte ab, bevor sie richtig hochfahren können. Hyppönen
betonte, dass solche Updates nicht umsonst mehrfach getestet werden, um
genau solche Fehler zu vermeiden. "Da müssen wir einfach verdammt noch
mal aufpassen", sagte er. Auf die Frage, ob sich solche Vorfälle in
Zukunft wiederholen könnten, antwortete der Experte: "Auf jeden Fall."
Er sieht jedoch Möglichkeiten, das Risiko zu reduzieren, indem
Unternehmen Updates zunächst in einer Testgruppe überprüfen, bevor sie
sie flächendeckend installieren.
Anke Domscheit-Berg,
Bundestagsabgeordnete der Linken und Digitalexpertin, kritisierte den
Softwarekonzern Microsoft scharf. "Microsoft ist ein nationales
Sicherheitsrisiko, weil sie ihre IT-Security-Probleme einfach nicht in
den Griff bekommen", sagte Domscheit-Berg dem "Tagesspiegel"
(Samstagausgabe). Es sei ein Skandal, wie abhängig sich Gesellschaften
weltweit machen würden. Auf Bundesebene sei man weiter zu blauäugig.
"Der Bund macht im Moment sogar Druck auf die Länder, noch mehr
Microsoft-Dienste zu nutzen."
Domscheit-Berg hält das für den
falschen Weg: "Wenn wir nun überall die Microsoft Cloud in der
Verwaltung von Bund und Ländern bekämen, hätten wir potenziell ein
riesiges Problem. Man stelle sich mal vor, die IT der Deutschen
Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit würden lahmgelegt.
Das wäre eine echte Katastrophe, denn solche Behörden sind kritische
Infrastruktur."
Domscheit-Berg verwies auf den Bericht eines
Cybersicherheits-Gremiums der US-Regierung. Darin werde Microsoft
offiziell als Sicherheitsrisiko für die Vereinigten Staaten bezeichnet.
Quelle: dts Nachrichtenagentur