CCC kritisiert Lauterbach wegen Mängeln bei E-Patientenakte
Vor Beginn der schrittweisen Einführung der "elektronischen Patientenakte für alle" am 15. Januar kritisiert der Chaos Computer Club (CCC) den Umgang von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit angeblichen Sicherheitslücken in dem Prestigeprojekt. Mit ihren Bedenken seien sie monatelang nicht ernst genommen worden, sagte CCC-Mitglied Martin Tschirsich dem "Stern". Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums wies die Darstellung des CCC auf Anfrage des Magazins als "so nicht richtig" zurück.
Laut Tschirsich könnten sich Kriminelle durch die Schwachstellen
umfassenden Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten verschaffen. Mehr als
70 Millionen Bundesbürger sollen in den kommenden Wochen die
elektronische Patientenakte erhalten, in der Diagnosen, Arztbriefe,
Medikationen und sonstige Gesundheitsdaten zentral erfasst werden.
Tschirsich zufolge hat der CCC nachgewiesen, "dass Angreifern der
Zugriff auf sämtliche digitalen Patientenakten möglich wäre".
Bereits
im August 2024 habe er die Manipulationsmöglichkeiten der Agentur
Gematik mitgeteilt, so Tschirsich. Als "Nationale Agentur für Digitale
Medizin" ist die Gematik zuständig für die Telematik-Infrastruktur, also
die sichere Vernetzung der medizinischen Versorgung innerhalb
Deutschlands. Im Dezember 2024, so Tschirsich weiter, habe er die
Sicherheitslücken praktisch demonstriert, kurz vor einer geplanten
Veröffentlichung der Erkenntnisse beim CCC-Kongress in Hamburg.
Darauf
habe Gesundheitsminister Karl Lauterbach den CCC über sein Büro
kontaktiert und "sehr dringlich" um ein persönliches Gespräch gebeten,
sagte Tschirsich. Bei einer Videokonferenz am 20. Dezember hätten die
Vertreter des CCC jedoch keine Gelegenheit gehabt, ihre Bedenken
vorzubringen und auf weitere Sicherheitsmängel einzugehen.
"Er
hat uns zu verstehen gegeben, dass diese Akte kommt - komme was wolle,
so unser Eindruck", sagte Tschirsich. Lauterbach habe ihnen mitgeteilt,
dass die elektronische Patientenakte am 15. Januar eingeführt werde,
"auch ohne die von uns kritisierten Ursachen für mögliche Angriffe zu
beheben". Es würden jedoch Maßnahmen entwickelt, um einen groß
angelegten Angriff zu erschweren.
Das
Bundesgesundheitsministerium teilte auf Anfrage des "Stern" mit, das vom
CCC im Dezember präsentierte Angriffsszenario sei "in dieser
Kombination neu" gewesen. "Darauf haben sowohl das
Bundesgesundheitsministerium wie auch die Gematik direkt reagiert", so
ein Sprecher. "Diese neue Sicherheitslücke wird derzeit technisch
aufgelöst und ist bis zum Start der ePA in Deutschland behoben. Die ePA
für alle geht nicht ans Netz, bevor solche Risiken für den massenhaften
Angriff nicht ausgeschlossen sind." In der Pilotphase sei das
Angriffsszenario des CCC nicht relevant, weil nur für die Testphase
registrierte Ärzte Zugriff auf Patientenakten im Behandlungskontext
hätten.
Auch die Gematik teilte auf Anfrage mit, das
Angriffsszenario des CCC sei bis Dezember unbekannt gewesen und habe
"eine neue Risikobetrachtung notwendig gemacht". Die Gematik habe die
Punkte des CCC mit einem Maßnahmenpaket adressiert. Nach Umsetzung der
Maßnahmen stehe dem bundesweiten Rollout nichts entgegen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur