Der große Irrtum des Bill Gates - Die Zahl der Spam-Mails nimmt weiter dramatisch zu
Archivmeldung vom 08.09.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.09.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls Bill Gates im Jahr 2004 die Aussage wagte, dass "Spam innerhalb der nächsten zwei Jahre kein Problem mehr darstellt", ahnte er wohl selbst nicht, welch dramatischen Verlauf die Entwicklung nehmen würde. Den fatalen Irrtum des Microsoft-Chefs belegen die am 5. September auf dem 5. Antispam-Kongress in Köln vorgestellten Zahlen.
Gerade in der Zeit nach dieser Einschätzung
schnellte die Zahl an Spam-Mails exorbitant in die Höhe. Experten
gehen davon aus, dass von 2005 bis heute durchschnittlich insgesamt
rund 300 bis 350 Prozent mehr an unerwünschten E-Mails in den
Postfächern gelandet ist als in den Jahren zuvor. Börsennotierte
Unternehmen in Deutschland haben nach Aussage von Robert Rothe,
Gründer und Geschäftsführer der eleven GmbH, eine noch härtere Nuss
zu knacken: "Seit Ende 2004 ist die Zahl um den Faktor fünf
gestiegen. Wir sprechen hier von rund 2,2 Millionen Spam-Mails an
einem einzigen Tag."
Subtile Methoden erschweren die Nachverfolgung
Die Täter bedienen sich dabei immer raffinierterer Methoden und
"ziehen ihren ganz persönlichen Nutzen aus der raschen
Fortentwicklung neuer Technologien und der nach wie vor
unzureichenden Implementierung geeigneter Sicherheitsmaßnahmen", wie
Evangelos Ouzounis von der European Network and Information Security
Agency (ENISA), neben dem eco Verband der deutschen
Internetwirtschaft Veranstalter des Antispam-Kongresses, bemerkt. Ein
großes Problem stellen dabei heute so genannte Bot-Netze dar. Mit
Würmern oder Trojanischen Pferden infizierte PCs kommunizieren
fremdgesteuert miteinander, ohne dass der Nutzer etwas davon bemerkt.
Die Netzwerke können eine Größe von mehreren tausend Rechnern
erreichen und eignen sich dadurch hervorragend für die Verbreitung
von Spam. Da die IP-Adressen ständig wechseln, lässt sich kaum noch
nachvollziehen, wer für den Versand verantwortlich ist. Richard Cox,
CIO bei "Spamhaus", berichtet, dass bei einer Untersuchung alleine am
24. Juni dieses Jahres 882.565 neue infizierte Rechner, wenig
charmant auch als "Zombies" bezeichnet, entdeckt wurden. "Ein
weiteres Problem liegt in der rasanten Geschwindigkeit der
Verbreitung: Zwischen der Infektion eines PCs und dem Versand der
ersten Spam-Mail liegen gerade einmal 36 Sekunden." Daneben stellen
aktuell auch PDF- und ZIP-Dateien eine neue Bedrohung dar. Die
Formate werden als "Container" für Bild-, Text- oder Excel-Dokumente
verwendet, in denen sich Spam-Nachrichten verbergen. Ein weiterer
Trend: Spammer versenden heute im Gegensatz zu früher viel kürzere
Nachrichten (rund zehn Kilobyte), diese aber in einer wesentlich
größeren Menge.
Die Politik spielt nur noch eine untergeordnete Rolle
Was die Lösungsansätze betrifft, spricht heute kaum noch jemand über
Maßnahmen der Politik beziehungsweise des Gesetzgebers - ganz im
Gegensatz zur Veranstaltung im vergangenen Jahr, als die Debatte über
die Anti-Spam-Regelung im Telemediengesetz die Gemüter erhitzte. Sven
Karge, Leiter des Fachbereichs Content bei eco und alljährlich
Organisator des Kongresses: "Die Wirtschaft geht mehr und mehr dazu
über, sich selbst zu helfen und Gruppierungen zu bilden, die
international aufgestellt zum Gegenschlag ausholen. Die Organisation
auf internationaler Ebene ist auch bitter nötig,
da die Spam-Problematik nationale Grenzen nicht kennt und ein
globales Phänomen darstellt."
Selbstregulierungs-Maßnahmen der Wirtschaft: "Spotspam" und
"Spamhaus"
Ein Beispiel hierfür ist die Initiative "Spotspam", die in Köln mit
einem finalen Prototyp der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die von
eco gemeinsam mit der polnischen Naukowa i Akademicka Siec
Komputerowa (NASK) initiierte Anti-Spam-Datenbank soll noch in diesem
Herbst online gehen. Künftig werden Beschwerden von Verbrauchern und
Providern aus ganz Europa über so genannte "Nationale Spamboxes"
gesammelt und an einem zentralen Ort (www.spotspam.net) hinterlegt,
um auf diese Weise die Verfolgung der Täter zu vereinfachen. Die
Informationen werden sowohl Internet-Service-Providern, Unternehmen
und Strafverfolgungsbehörden auf entsprechenden Antrag zur Verfügung
gestellt. Einen anderen Weg beschreitet die internationale
Non-Profit-Organisation "Spamhaus Project" (www.spamhaus.org). Sie
spürt im Netz direkt die infizierten Rechner auf, über die Spam-Mails
versendet wurden und erstellt Listen zur Blockade dieser PCs.
Außerdem nimmt Spamhaus die Domain-Registrare in die Pflicht, "weil
diese der einzig effektive Kontrollpunkt sind und über die meisten
Informationen verfügen", so Richard Cox. "Nur sie können sprachliche,
kulturelle und zonenbedingte zeitliche Barrieren überwinden." Auch
das Bundeskriminalamt (BKA) weitet seine Maßnahmen gegen Spam aus und
arbeitet weltweit eng mit Providern sowie Interpol und Europol
zusammen. Unterstrichen wird die internationale Bedeutung der
Problematik zusätzlich durch die Anwesenheit Andrey Alexeevs vom
russischen Unternehmen COMSTAR-Direct CJSC: Zum ersten Mal überhaupt
konnte der Vertreter eines Unternehmens aus dem ehemaligen Zarenreich
dafür gewonnen werden, einen Vortrag über die Verhältnisse in seinem
Heimatland zu halten.
"Die Selbsthilfemaßnahmen der Wirtschaft sind konkreter geworden und ehrgeizige sowie langfristige Projekte wie Spotspam haben jetzt die Marktreife erlangt. Die Einbindung der betroffenen Verbraucher und Unternehmen, Provider sowie Behörden auf internationaler Ebene ist der einzig vernünftige Weg, um der Spam-Problematik besser entgegen wirken zu können", resümiert Sven Karge.
Quelle: Pressemitteilung eco Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.