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Vom Piraten zum Premium-Kunden? Studie zu Musikpiraten

Archivmeldung vom 19.09.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.09.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Lupo / pixelio.de
Bild: Lupo / pixelio.de

„Deine Musik überall“, verspricht die Website eines Musik-Anbieters: auf allen Geräten, gestreamt oder zum Herunterladen, keine Werbung, keine Verpflichtung und das Ganze dann noch 30 Tage gratis zur Probe: Dieser Anbieter macht alles richtig – zumindest, wenn es darum geht, Musikpiraten ins Reich der Legalität zurückzuführen und zu regulären Kunden zu machen. Das zeigte eine Studie der TU Darmstadt und der Ludwig-Maximilians-Universität München, die in der Zeitschrift Wirtschaftsinformatik (Heft 6/2013) publiziert wird.

Für ihre Studie „Music as a Service: eine Alternative für Musikpiraten?“ befragten die Forscherinnen und Forscher aus Darmstadt und München 8000 Studierende nach ihrer Einstellung zu sogenannten Freemium-Geschäftsmodellen: Angeboten, bei denen Basisdienstleistungen gratis sind. Wer Zusatzleistungen möchte oder ein werbefreies Angebot, muss dafür bezahlen. Besonders interessant: In der – natürlich gänzlich anonymen - Stichprobe machten die Wissenschaftler auch 132 Musikpiraten aus, also Nutzer, die sich auf Internetplattformen mit illegalen Musikkopien versorgen. Und um deren Einstellung und Nutzungsverhalten ging es vor allem in der Studie. „Wir haben uns gefragt, ob man illegale Downloader als Kunden ,zurückgewinnen‘ kann“, sagt Professor Dr. Alexander Benlian, Fachgebiet Information Systems and Electronic Services des Fachbereichs Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt, der gemeinsam mit Professor Dr. Thomas Hess vom Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München die Studie leitete. „Wenn man Branchen wie die Musikindustrie erhalten will, ist Illegalität ein großes Problem“, sagt Hess. Ein Schaden von über einer halben Milliarden Euro entsteht der deutschen Musikindustrie im Jahr durch Musikpiraterie.

Piraten im Visier

Ein überraschendes und scheinbar paradoxes Ergebnis der Studie: „Musikpiraten wollen zwar grundsätzlich nicht für ihre Musik bezahlen, aber wenn man ihnen geeignete Abo-Modelle, das heißt insbesondere Freemium-Modelle für Geld anbietet, sind sie eher geneigt zuzuschlagen“, sagt Benlian. „Music Streaming im Freemium-Modell ist ein wirksames Instrument, um Nutzer in die legale Welt zu holen, besser wohl als die bekannten und insgesamt gescheiterten Versuche des Schutzes von Musik durch technische Schutzmechanismen wie Digital Rights Management-Systeme“, ergänzt Hess.

Die Erklärung dafür liege im Profil der Piraten. Diese seien deutlich aktiver und versierter im Internet unterwegs, sowohl bei der Suche nach Informationen als auch, wenn es darum gehe, die Meinungsführerschaft zu übernehmen. Sie seien auch technik-affiner und technisch anspruchsvoller als „legale“ Kunden von Musikanbietern. Piraten hätten häufig einen sehr ausdifferenzierten Musikgeschmack und eine mehr als doppelt so große Sammlung von Musikdateien wie legale Nutzer, viele verschiedene technische Endgeräte und großes Interesse daran, ihre Musik gut zu sichern und überall zu hören.

Musikpiraten sind die anspruchsvolleren Kunden

In einer Folgestudie wollen die Darmstädter und Münchener Forscher nun herausfinden, wie Freemium- und Premium-Dienstleistungen der Unterhaltungsindustrie am besten ausgestaltet werden sollten und daraus Empfehlungen ableiten – „letztlich natürlich mit dem Ziel, Umsätze zu gewinnen“, sagt Hess. Das beschränke sich nicht auf die Musikindustrie, sondern könne auch Anbietern von Telefondiensten, Software, Spielen, oder auch Filmen helfen, die Zielgruppe der Piraten für sich zu erschließen.

Erste Erkenntnisse dazu haben die Wissenschaftler schon mit der nun vorliegenden Studie gewonnen. Nicht überraschend, schätzen Piraten ein großes Angebot an Musiktiteln. Als technik-affinen Nutzern sollte ihnen ein attraktives Abo-Angebot ermöglichen, ihre Musik unterwegs und zu Hause sowohl über Streaming als auch offline und auf verschiedensten Endgeräten zu hören. Die Player-Software sollte möglichst viele interessante Zusatzfunktionen bieten. Und auch eine gut ausgebaute Community-Funktion – also die Möglichkeit, sich mit anderen Nutzern direkt und intensiv über das Angebot auszutauschen – könnte Piraten überzeugen, für ein gut gemachtes Premium-Angebot zu bezahlen.

Wichtig ist dabei auch der Erstkontakt. Wenn Musikpiraten für eine begrenzte Zeit die Möglichkeit haben, alle technisch ausgefeilten Funktionen eines Premium-Angebots testweise zu nutzen, sind sie deutlich eher bereit als legale Nutzer, später dafür zu bezahlen. Dürfen sie dagegen mit einer Gratis-Basisversion auch nur eingeschränkte Funktionen ausprobieren, sind Piraten deutlich zurückhaltender. Hier unterscheidet sich der Pirat doch klar vom Durchschnitts-User: Der gibt sich schneller zufrieden und akzeptiert sogar Werbung.

Piraten sind offensichtlich die anspruchsvolleren Kunden – und bieten Potential fürs Geschäft. „Im Grunde“, sagt Benlian, „sind Piraten eine noch nicht wahrgenommene Zielgruppe.“

Quelle: Technische Universität Darmstadt (idw)

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