Piratenjäger hoffen auf Provider-Auskunftspflicht
Archivmeldung vom 15.11.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Verein für Antipiraterie der Film- und Videobranche (VAP) hat gestern, Mittwoch, in Wien seine Jahresbilanz 2012 präsentiert. Die Vertreter heben vor allem hervor, dass das Urheberrecht im vergangenen Jahr verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist, was auch den Gesetzgeber zu ersten Reformschritten drängt. Der VAP hofft, dass anhängige Entscheidungen auf europäischer Ebene und ein neues Gesetz, das derzeit in Österreich ausgearbeitet wird, die Provider zur Speicherung und Herausgabe von Nutzerdaten im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen verpflichten.
Der VAP beziffert den Einnahmen-Ausfall durch illegale Angebote mit rund 20 Prozent und beruft sich dabei auf eine Meta-Studie, die verschiedene Ergebnisse berücksichtigt. Diese Zahlen sind aber umstritten. "Andere Studien besagen, dass Filesharer mehr Inhalte erwerben. Der Content-Industrie geht es derzeit gut, sie verzeichnet ein normales Wachstum. Wären diese Verlustschätzungen korrekt, ergäben sich übernatürliche Gewinne", erklärt Tommi Enenkel von der Piratenpartei Österreich gegenüber pressetext. Der VAP sieht aber noch weitere negative Folgen illegaler Inhalte im Netz:
"Illegale Angebote befördern das Sterben der Kinos und Videotheken, dem Staat entgehen nicht unerhebliche Steuereinnahmen. Trotzdem sehen 80 Prozent der 14- bis 29-Jährigen illegale Downloads als Kavaliersdelikt an. Der Schaden ist immer noch immens", sagt VAP-Präsident Ferdinand Morawetz. Deshalb hofft der VAP, dass in Zukunft rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden, die eine Verfolgung von Verstößen gegen das Urheberrecht erleichtern. Der Europäische Gerichtshof befasst sich als Folge der Kino.to-Prozesse derzeit mit der Frage, ob die Provider für die Inhalte verantwortlich sind, die über ihre Infrastruktur konsumiert werden.
Außerdem klären die Richter, ob das Recht auf Privatkopien nur dann gilt, wenn die ursprüngliche Quelle legal ist. Gleichzeitig wird in Österreich an einem neuen Gesetz gearbeitet, das vorsieht, dass Provider bei Urheberrechtsverstößen auf richterliche Anordnung Auskunft über die Identität der User geben sollen. Das derzeitige Arbeitspapier sieht vor, dass die Provider Daten dazu drei Monate lang speichern sollen. Der Entwurf ist unabhängig von der Vorratsdatenspeicherung, die bei Urheberrechtsverstößen normalerweise keine Auskunftspflicht vorsieht. Eine Umsetzung ist noch in der aktuellen Legislaturperiode vorgesehen.
Keine Flatrates
"Ein solches Gesetz wäre, genau wie die Vorratsdatenspeicherung, ein Eingriff in die Grundrechte der Bürger, der User unter Generalverdacht stellt. Natürlich müssen die Kreativen für ihre Arbeit entlohnt werden. Der Gesetzgeber muss hier eine ausgewogene Lösung finden. Mafiöse Organisationen, die gewerbsmäßig illegale Inhalte vertreiben, sollen auch verfolgt werden. Die Kriminalisierung von Jugendlichen ist aber sicher der falsche Weg. Die Content-Industrie sollte ihre Mittel besser einsetzen, um neue Vertriebswege zu entwickeln, dann gehen auch die illegalen Downloads zurück", erklärt Enenkel.
Solche Modelle werden teilweise auch schon verwendet. In der Musikindustrie sind etwa Flatrate-Angebote, wie sie von Spotify und Co geliefert werden, derzeit sehr beliebt. Der VAP hält für den Filmbereich aber weiterhin am derzeitigen Modell fest. "Individuelle Lizenzierung kann auch online durchgesetzt werden. Kollektivistische Modelle sind komplexer und weniger nachhaltig", sagt VAP-Geschäftsführer Werner Müller.
Dafür müssen die illegalen Angebote aber ausgeschaltet werden. Die derzeit laufenden Musterverfahren sollen in Zukunft die Handhabe liefern, um straf- und zivilrechtlich gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. Aber auch die Entwicklung von bequem zu nutzenden legalen Angeboten ist für den VAP ein Teil der Strategie. Da der Markt aber vor allem von US-Angeboten dominiert wird, sei der Einfluss in Österreich hier relativ gering, heißt es auf der Pressekonferenz.
"Gute Ideen finden mit neuen kreativen Vertriebswegen wie Kickstarter immer einen Weg, Geld zu verdienen. Die Content-Industrie hält aber lieber an klassischen Vertriebswegen fest. Der Anteil, den die Content-Industrie an den Umsätzen erhält, ist heute nicht mehr zeitgemäß, viele Künstler werden im bestehenden Modell ausgebeutet", so Enenkel. Für den VAP sind die illegalen Angebote aber ein wichtigerer Faktor als fehlende legale Alternativen. Einigkeit herrscht lediglich darin, dass Künstler Geld verdienen müssen und wir dringend eine Urheberrechtsreform brauchen. Wie das schlussendlich tatsächlich aussehen wird, hängt davon ab, welche Argumente sich in der aktuellen Debatte durchsetzen.
Quelle: www.pressetext.com/Markus Keßler