Open Source - Strukturwandel oder Strohfeuer?
Archivmeldung vom 18.11.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Einsatz von Open Source Software (OSS) führt zu teilweise erheblichen Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung. Auch IT-Unternehmen profitieren von ihren OSS-Aktivitäten. Das ist das Ergebnis einer von IBM, Novell und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Auftrag gegebenen Studie. Das Institut hat 209 öffentliche Verwaltungen und IT-Unternehmen nach ihren Einschätzungen zu quelloffener Software befragt.
Knapp die Hälfte (47 Prozent) der 115 befragten öffentlichen Einrichtungen geht
von Kostensenkungen von mehr als 50 Prozent durch den Einsatz von Open Source
Software aus. Weitere 20 Prozent glauben an eine Kostensenkung von bis zu 25
Prozent. Für rund 59 Prozent ist die Umstellung auf Open Source-basierte
Anwendungen Teil einer mittel- oder langfristigen IT-Gesamtstrategie.
Die
Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die öffentliche Hand treibende Kraft für den
Einsatz von Open Source-Lösungen ist: Anhaltende Veränderungen und
Umstrukturierungen im Bereich der öffentlichen Einrichtungen würden auch in den
nächsten Jahren zu entsprechenden IT-Projekten führen. Dies rechne sich, so die
Autoren, auch für IT-Unternehmen, die Open Source als Dienstleistung oder
Produkt anbieten: "Die öffentliche Hand rechnet im Bereich der
Dienstleistungskosten mit Kostensteigerungen von bis zu 25 Prozent, die in
diesem Rahmen OSS-Unternehmen zu Gute kommen," so Jochen Günther, Projektleiter
beim Stuttgarter Fraunhofer IAO. Dem stehen Ersparnisse durch wegfallende
Lizenzkosten gegenüber.
"Es ist beeindruckend, welche enormen Vorteile
Unternehmen und öffentliche Einrichtungen durch den Einsatz freier Software
bereits erzielen und in welcher Weise OSS Innovationen beschleunigt,"
kommentiert Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath, Leiter des Fraunhofer IAO, die
Ergebnisse der Studie.
Mittelstand profitiert
Vor allen Dingen der
Mittelstand profitiere von den Investitionen des öffentlichen Sektors: "Rund 83
Prozent der OSS-Aufträge der öffentlichen Verwaltung gehen an kleine und
mittlere, regionale Dienstleister," so Günther. Dienstleistungen werden von
diesen Unternehmen rund um die drei Themenbereiche Programmierung, Konfiguration
oder Anpassung von OSS an kundenspezifische Bedürfnisse, die Unterstützung in
der Einführungsphase sowie beim späteren Support angeboten, so ein Ergebnis der
Studie.
Die beauftragten Unternehmen profitieren nicht nur finanziell von
den Aufträgen, sondern auch entwicklungstechnisch. Günther: "Rund 71 Prozent der
IT-Unternehmen schätzen, dass der Einsatz von OSS bei ihnen zu verwertbaren
Produktinnovationen führt und 35 Prozent der Unternehmen glauben sogar, dass sie
ohne Open Source-Aktivitäten nicht mehr überlebensfähig sind."
Akzente in
der bundesdeutschen Verwaltung gesetzt
Michael A. Maier,
Geschäftsbereichsleiter Öffentlicher Dienst bei der IBM Deutschland:
"Rückblickend haben sich die Entscheidungen, Open Source in der öffentlichen
Verwaltung einzusetzen, als richtig erwiesen. Die Ergebnisse der Studie sollten
die Entscheidungsträger in Politik und öffentlicher Verwaltung dazu ermuntern,
wenn immer möglich, die Vorteilhaftigkeit von Open Source-Anwendungen zu prüfen
und Open Source einzusetzen."
Die IBM habe sich schon frühzeitig der
Unterstützung des Open Source-Gedankens verpflichtet. Das gelte auch für den
Einsatz von Open Source-Lösungen durch die Öffentliche Hand. Maier: "Wir sind an
den meisten Projekten beteiligt, die in der bundesdeutschen Verwaltung Akzente
gesetzt haben." Beispiele dafür seien das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik, das Bundesamt für Finanzen, die Stadt Schwäbisch-Hall und
nicht zuletzt der Deutsche Bundestag. "Der im Juni 2002 zwischen dem
Bundesministerium des Innern und der IBM abgeschlossene Kooperationsvertrag zur
Förderung von freier und offener Software ist ein Meilenstein gewesen, der
weltweit Beachtung und Nachahmer gefunden hat," so Maier. Der Vertrag sei
inzwischen eine konstante Größe geworden und werde beständig von der
Öffentlichen Hand genutzt, um mehr und mehr Linux-basierte IT-Lösungen
einzuführen. Der auf der diesjährigen CeBIT mit dem rheinland-pfälzischen
Innenminister Karl Peter Bruch abgeschlossene Vertrag zur Einrichtung eines Open
Source-Softwarekompentenzzentrums beim Landesbetrieb Daten und Information in
Mainz sei ein Beispiel dafür, wie die IBM das Thema in den Ländern und Regionen
voranbringe.
Open Source in die Regionen bringen
Dr. Harald
Neumann, Teamlead Linux, IBM Deutschland, ergänzt: "IBM arbeitet weltweit in
zahlreichen globalen Open Source- und Open Standard-Projekten, die nach dem
Community-Prinzip organisiert sind, mit. Wir glauben aber, dass es mit dem
weiteren Vordringen von Open Source in der Verwaltung noch mehr Interesse für
regionale Communities geben wird, die sowohl helfen, auf Basis von Open Source
passgenaue Lösungen für die örtlichen Verwaltungen zu liefern, als auch den
Mitgliedern die Möglichkeit geben, sich gemeinsam mit der öffentlichen
Verwaltung als Community im globalen Wettbewerb zu behaupten."
Mehr
Beschäftigung in Deutschland?
Die Autoren der Studie kommen zu dem
Ergebnis, dass der Einsatz von Open Source Software nicht nur der Öffentlichen
Hand und den IT-Unternehmen mit OSS-Aktivitäten Vorteile bringt, sondern auch zu
mehr Beschäftigung in Deutschland führen kann.
Die Studie habe gezeigt,
so Dr. Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart
GmbH, dass Open Source verstärkt zu regionaler Wertschöpfung führt und das
Innovationspotenzial der IT-Unternehmen stärkt. "Open Source Software sorgt für
Innovation und sichert Arbeitsplätze vor Ort. Deshalb werden wir mit unserer
erfolgreichen Initiative "Open Source Region Stuttgart" (http://opensource.region-stuttgart.de)
den Wachstumsmarkt weiter gezielt entwickeln."
Der Wirtschaftsförderer
erhofft sich auch von anderen Fördermittelgebern Maßnahmen, um diese Basis
weiter zu stärken. So sollten verstärkt bestehende IT-Fördermittel des Bundes
oder der Europäischen Union zur Förderung von Open Source-Projekten
umgeschichtet werden. "Das bietet die Chance, dass aus öffentlichen Mitteln
Software entsteht, die dann sowohl öffentlichen Einrichtungen, aber auch
IT-Unternehmen zur wirtschaftlichen Verwertung frei zur Verfügung steht," so Dr.
Rogg.
Auch Novell engagiert sich stark im Bereich Linux und Open Source,
gerade in Deutschland. Der Schwerpunkt der Linux-Entwicklung von Novell befindet
sich in Nürnberg. "Der öffentliche Sektor ist in Deutschland um ein Vielfaches
innovativer als oftmals geglaubt wird. Quelloffene Software und offene Standards
für Schnittstellen und Datenformate brechen die Strukturen auf und ermöglichen
so flexibleres Arbeiten," erläutert Holger Dyroff, Vice President Product
Management Linux Platforms bei Novell, die Motivation des öffentlichen Sektors
für Open Source Technologien. "Mit Open Source Software und dem entsprechenden
Support kann der öffentliche Sektor Dienstleistungen am Bürger schneller,
sicherer und zuverlässiger erbringen und gleichzeitig die Flexibilität wahren
zukünftige Anforderungen zu erfüllen."
Für die Studie wurden
Entscheidungsträger von öffentlichen Einrichtungen und IT-Unternehmen in
Deutschland befragt. Im Bereich der öffentlichen Einrichtungen konnten insgesamt
115, bei den IT-Unternehmen 94 gültige Antworten erzielt werden. "Die
verschiedenen Größenklassen der befragten Einrichtungen und Unternehmen
garantieren eine gute Übertragbarkeit der Ergebnisse," so Jochen Günther. Zudem
seien die Teilnehmer der Befragung überwiegend Entscheidungsträger und
Meinungsführer innerhalb ihrer Einrichtungen.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.