Meinungsmanipulation 2.0
Archivmeldung vom 22.07.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Oliver RandakAuf Public Relations und Public Affairs spezialisierte Agenturnetzwerke manipulieren zugunsten ihrer Kunden seit den 1950igern - mehr oder weniger erfolgreich – immer wieder die öffentliche Meinung. In Europa ist beispielsweise nur wenigen bekannt, dass ein solcher Dienstleister nicht unwesentlich an der Kriegserklärung der USA an den Irak unter Georg Bush sen. beteiligt war. Durch teilweise dreiste Desinformationskampagnen war es gelungen, das Meinungsbild in der Bevölkerung pro Krieg zu drehen. Mit der Entwicklung des Internet als wichtigen - wenn nicht wichtigsten – Informationskanal, wurden die Dienstleistungen daraufhin ausgeweitet. Ein Insider lässt einen kleinen Blick hinter die Kulissen zu.
Hallo Goofy, Du arbeitest über zehn Jahren für eine nicht
allzu kleine, aber feine Public Relations Agentur in den USA. Seit drei
Jahren ist Dein Job das, was man einen in Hollywood-Filmen einen
Ausputzer nennen würde, jemand, der die Leichen im Keller beseitigt,
nur eben bezogen auf das Web.
Ausputzer trifft es recht gut. Fast jedes Unternehmen oder Prominente
hat Leichen im Keller. Geschichten aus der Vergangenheit, die man
lieber aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden lassen würde. Ich
löse das Problem bezogen auf Suchmaschinen. Nur um es ganz deutlich zu
sagen, wie verstoßen gegen keine Gesetze.
Du sagst verschwinden lassen. Was machst Du genau, wie muss man sich Deine Arbeit vorstellen?
Nehmen wir an, ein Unternehmen hatte vor einiger Zeit arge Probleme mit
einem bestimmten Produkt. Wenn Du bei Google, Yahoo oder sonst einer
bekannten Suchmaschine nach dem Unternehmensnamen danach suchst,
tauchen die nicht recht schmeichelhaften Berichte auf. Das ist nicht im
Interesse des Unternehmens.
Wenn die Führung klug ist, holt sie sich professionelle Hilfe. Im Normalfall wird es über das Unternehmen auch positive Berichte geben. In Online-Zeitungen, irgendwelche Finanzberichte. Notfalls muss eben die Presseabteilung ran und zumindest für neutrale Berichterstattung sorgen. Aber wie gesagt, in der Regel sind genügend brauchbare Berichte im Web zu finden.
Um es auf den Punkt zu bringen: Genau diese schieben wir in den SERP vor die Blogbeiträge und vergraben alles Negative auf die hintersten Seiten.
Schwieriger wird es, wenn etablierte Medien mit ihren Online-Ablegern bereits auf den Zug aufgesprungen sind. Die kann man nicht so leicht wegschieben. Ich gehe davon aus, dass es nicht der einzige Bericht über das Unternehmen in diesem Online-Medium war. Hier müssen wir eben den negativen Bericht in den SERP durch den positiven ersetzen.
Bei Dir hört sich das alles so einfach an. Wegschieben, vergraben ersetzen …
Wenn man das Prinzip verstanden hat, ist es wirklich nicht so schwer.
Die Suchmaschinen von Google bis Ask sortieren die SERP nach Relevanz.
Im Grunde werden die Links gewertet, die auf eine bestimmte Seite
zeigen. Es im Detail zu erklären würde hier zu weit führen. Wichtig ist
nur, dass alles für das menschliche Auge unverdächtig aussieht.
Was war die größte Herausforderung bisher?
Wenn man seinen Job ernst nimmt, ist alles eine Herausforderung. Man will schließlich immer das Beste geben.
Wenn Du aber eine angefahrene Sache meinst: Ein Kunde musste sein Produkt vom Markt nehmen, zurecht will ich hinzufügen. Das Problem bei Produktnamen ist, dass sie meist einmalig sind. Wir haben also ein virtuelles Produkt entworfen, eigens Seiten dafür angelegt, Berichte über das Kundenprodukt nach hinten gedrückt.
Da immer nach Produktbezeichnung in Kombination mit Firmenname gesucht wird, war das Projekt heikel. Gelöst haben wir das Problem, indem wir eben über angebliche Tests des Produktes. Wir waren so gut, dass Blogger sogar so getan haben, als hätten sie das Teil auch in den Fingern gehabt. Abgefahren!
Mit solchen Aktionen rutscht man aber schon sehr in die Grauzone, oder?
Ja, das ist die Grenze, an die ich persönlich bereit bin zu gehen. Es gibt andere, die überschreiten diese…
… und begehen Straftaten?
Nein. Illegale Aktionen würde ich keinem nachsagen. Sagen wir Du hast
einen Kunden, der möchte sich im Web als das Non-Plus-Ultra in Sachen
medizinische Bandagen präsentieren. Dann versucht man natürlich Seiten
in den SERPS zu “medizinische Bandagen” nach vorne zu bringen, die
Kunden und Produkt in einem guten Licht erscheinen lassen.
Nur wäre es doch unnatürlich, wenn nur Produkte eines Unternehmens unter den ersten zehn Suchtreffern zu finden wären. Positive Berichte über die Wettbewerber wären nicht dienlich, also könnte man Seiten nach vorne schubsen, die nicht gerade schmeichelhaft sind. Und solche Seiten finden man oder produziert diese erst. So weit würde ich persönlich nicht gehen.
Du arbeitest auf dem US-Markt. Arbeiten Unternehmen in Deutschland mit solchen Methoden?
Dazu kann ich nichts sagen. Die Angebote, die ich gefunden habe und in
diese Richtung gingen, waren lächerlich, nicht Ernst zu nehmen.
Wenn ich über solche Manipulationsversuche lese, kann ich nicht einmal mehr darüber lachen. Für mich persönlich ist das hochgradig dilettantisch.
Goofy, ich danke Dir für die Einblicke in Deine Arbeitswelt.
Goofy möchte weder seinen echten Namen noch den seines Arbeitgebers genannt wissen.