3D-Druck: Nischentechnik mit Potenzial
Archivmeldung vom 11.09.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtOb Schmuck, Brillen oder Handyhüllen: Solche Dinge lassen sich heute relativ einfach mit 3D-Druckern herstellen. Während „normale“ Drucker Tinte auf Papier bringen, schichten die „dreidimensionalen“ in einem mehrstufigen Prozess Kunststoff oder Metalle aufeinander, so dass komplexe Gegenstände entstehen.
Mit dem wirtschaftlichen Potenzial des 3D-Drucks befasst sich ein Team um Frédéric Thiesse, Professor für Wirtschaftsinformatik und Systementwicklung an der Universität Würzburg: Hält die Technik irgendwann Einzug in alle Haushalte? Wird man künftig kleinere Ersatzteile für die Küchenmaschine oder die Fernbedienung selber zu Hause herstellen? In welchen Wirtschaftssparten lohnt sich der Einsatz des 3D-Drucks?
„Im Moment denken sehr viele Unternehmen darüber nach, ob und wie sie den 3D-Druck einsetzen können“, sagt Professor Thiesse. Es gibt aber auch schon Vorreiter: Bei Spezialanbietern im Internet kann man Schmuckstücke oder Handyhüllen selber gestalten und drucken lassen. Möglich wird das durch Design-Software, die auf den Webseiten eingebunden und einfach zu bedienen ist. So werden zum Beispiel Handyhüllen Realität, auf der das Gesicht des Telefonbesitzers als Relief modelliert ist.
Warum 3D-Druck im Kommen ist
Dabei ist die Technik des 3D-Drucks keineswegs neu. Sie wird schon seit über 20 Jahren von großen Unternehmen zur Herstellung von Prototypen eingesetzt, beispielsweise in der Auto- oder der Maschinenbaubranche. Warum aber ist die Technik erst jetzt in aller Munde? Thiesse nennt dafür mehrere Gründe.
Erstens laufen derzeit wesentliche Schlüsselpatente aus den 1980er- und 1990er-Jahren aus, und junge Firmen setzen sie in kostengünstige Produkte um. Einfache 3D-Drucker sind mittlerweile schon für unter 1.000 Euro zu haben. Zweitens vermarkten die Herstellerfirmen ihre Geräte mit hohem PR-Aufwand als Verfahren für die Serienfertigung. Für jeden zugänglich ist auch Modellierungs-Software, die dreidimensionale Objekte und deren Druckdaten erzeugt. Sie lässt sich teilweise kostenlos aus dem Internet herunterladen.
Individualität als Trumpf
„Vor allem aber passt die Technik zu dem Trend, dass viele Kunden gewisse Dinge nicht einfach nur konsumieren, sondern an deren Entstehung mitwirken wollen, damit sie am Ende ein möglichst individuelles Produkt besitzen“, sagt der Würzburger Wirtschaftsprofessor.
Individualität also. Persönlich gestaltete Brillengestelle, Schrankknöpfe, Schuhsohlen, Ohrringe oder andere Objekte lassen sich mit 3D-Druckern herstellen. Die Geräte können Teile aus Kunststoffen, Gummi, Keramik oder Metallen wie Titan, Stahl und Silber fabrizieren. In der Produktion von Gegenständen mit individueller Note liege eine Zukunftschance für den 3D-Druck, meint Thiesse.
Viele Einsatzmöglichkeiten denkbar
Vielversprechend sei die Technik zum Beispiel auch für die Anfertigung von Ersatzteilen. Mögliches Szenario: Eine Firma, die Maschinen beim Kunden wartet, schickt einen Techniker mit einem mobilen Drucker zur Reparatur. Die Druckdaten für alle nur denkbaren Ersatzteile werden im Internet vorgehalten, und so kann der Techniker vor Ort genau die Teile herstellen, die er braucht.
„Es sind vielfältigste Einsatzmöglichkeiten denkbar, und darum ist der 3D-Druck in vielen Unternehmen derzeit ein Thema“, sagt Thiesse. Das weiß er aus Gesprächen mit Firmenvertretern und einer zunehmenden Zahl von Anfragen für Beratungen oder Vorträge. Das dürfte laut Thiesse auch daran liegen, dass es im Bereich der Wirtschaftswissenschaft in Deutschland sonst nahezu niemanden gibt, der sich mit dem Thema „additive Fertigung“ befasst – das ist der Fachbegriff für den 3D-Druck.
„Center for Digital Fabrication“ gegründet
Thiesse beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit dem Thema. Ende 2012 hat er sein Fachwissen institutionalisiert – und an seinem Würzburger Lehrstuhl das „Center for Digital Fabrication“ gegründet. Dahinter verbirgt sich ein Kompetenzzentrum, das die Potenziale und Konsequenzen der additiven Fertigung untersucht. Im Vordergrund steht dabei weniger die Technologie an sich: „Als Wirtschaftsinformatiker interessiert uns vor allem, was links und rechts der eigentlichen Produktion passiert – während das Produkt noch als digitales Modell vorliegt oder wenn es später auf den Markt und den Kunden trifft. Kern unserer Tätigkeit im Center ist die Erstellung betriebswirtschaftlicher Analysen und Konzepte sowie Software bis hin zu Prototypen“, erklärt Thiesse.
3D-Druck in der Lehre
Natürlich verfügt das Zentrum auch über einen 3D-Drucker, und davon profitieren auch die Studierenden. Dass sie das Gerät mit Daten füttern und bedienen dürfen, ist nur ein Aspekt. Sie können auch Lehrveranstaltungen zum Thema besuchen und Abschlussarbeiten schreiben. Dabei erstellen sie beispielsweise Marktstudien zum Einsatz des 3D-Drucks in der Autozuliefererbranche oder in der Medizintechnik. Oder sie analysieren die Randbedingungen und Einflussfaktoren, die diese Art der Fertigung für Firmen überhaupt erst sinnvoll machen.
„Mit Studierenden entwickeln wir auch neue Software-Komponenten für den 3D-Druck“, sagt Thiesse. Eine davon sorgt zum Beispiel dafür, dass ein am Computer neu entwickeltes Modell so verschleiert wird, dass gewisse Feinheiten nicht mehr zu erkennen sind. Das soll Konstrukteuren dabei helfen, mit den Betreibern von 3D-Druckern zusammenarbeiten zu können, ohne ihr geistiges Eigentum unmittelbar offenlegen zu müssen.
Schafft die Technik den Sprung?
Derzeit besetzt der 3D-Druck wirtschaftliche Nischen. Schafft er irgendwann den Sprung zu einer weit verbreiteten Technik? Das ist für Thiesse eine spannende Frage, zu der noch keine Prognosen möglich sind. Werden immer mehr Unternehmen auf additive Fertigung setzen? Hat irgendwann jeder Normalbürger einen 3D-Drucker im Haus?
Letzteres glaubt Thiesse nicht. „Vielleicht stehen die Drucker künftig in den Baumärkten, so dass die Kunden sich dort bestimmte Objekte selber herstellen können – ähnlich wie die allgegenwärtige Farbmischmaschine.“ Eine neue industrielle Revolution, wie sie bisweilen in den Medien vorausgesagt wird, sei vom 3D-Druck aber nicht zu erwarten. Vielmehr werde die Technik das vorhandene Instrumentarium in Konstruktion und Produktion eher erweitern als verdrängen – so wie es bei den Mikrowellengeräten der Fall war, die heute in friedlicher Co-Existenz mit dem klassischen Herd in vielen Küchen stehen.
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg (idw)