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Patent-Troll rüttelt an Grundfesten des Internets

Archivmeldung vom 10.02.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.02.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Gericht: Urteil in Tyler könnte bald gefällt werden. Bild: planetware.com
Gericht: Urteil in Tyler könnte bald gefällt werden. Bild: planetware.com

Ein neuer Fall des sogenannten "Patent-Trolling" könnte das Internet in seinen Grundfesten erschüttern. Michael Doyle, Besitzer von Eolas Technologies, reklamiert die Erfindung des "interaktiven Webs" für sich und möchte dies in zwei Patenten verewigen. Dazu legt er sich nun mit Web-Riesen wie Google, Amazon und Yahoo an. Selbst der "Vater des Internets", Tim Berners-Lee, zeigt sich alarmiert.

Drei Anläufe benötigte Doyle, um beim US Patent Office seinen Patenantrag erfolgreich einzubringen. Die Genehmigung des dritten Antrags möchte Doyle nun nutzen, um seine vermeintlichen Rechte an den Erfindungen durchzusetzen. Konkret geht es um Software, die er 1993 an der University of California (UC California) erfunden und welche erstmals die Interaktion mit Bildern in einem Browserfenster ermöglicht hat.

Doyle sieht sich damit als Urvater von verschiedensten Diensten und Funktionen, die heute auf vielen Webseiten eine Selbstverständlichkeit darstellen - etwa automatische Vorschläge in Suchleisten oder Videostreams bis hin zu interaktiven Applets zur Produktvorschau in Webshops.

Eolas nicht unbekannt

Obowohl Eolas bis dato noch keinen kommerziellen Nutzen aus seinen Erfindungen geschlagen oder selbst Software veröffentlicht hat, ist der Name in der Techbranche nicht unbekannt. 1999 legte sich das Unternehmen in Form einer Patentklage mit Microsoft an und gewann 2003 in erster Instanz. Der Fall mit einem Streitwert von über einer halben Mrd. Dollar ging in Revision.

Das Urteil wurde zwar aufgehoben, jedoch verzichtete Microsoft auf eine komplette Neuverhandlung, sondern einigte sich außergerichtlich mit Doyle. Über die genaue Summe wurde Stillschweigen vereinbart, Kenner gehen jedoch von einem dreistelligen Millionenbetrag aus. Allein der UC California, die zu 25 Prozent an den Rechten beteiligt war, fielen über 30 Mio. Dollar zu.

Fall bleibt vorerst in Texas

Google, Amazon und andere Web-Riesen sowie die Standardisierungsorganisation W3C als auch Web-Pioniere wie Berners-Lee wollen das Inkrafttreten der beiden Patente verhindern. Verhandelt wird der Fall vorerst im osttexanischen Tyler. Die Gerichte dieser Gegend haben im Tech-Business den Ruf, besonders oft der meist einfacheren Argumentation der Patenthalter zu folgen, schreibt TechEye.

Um zu verhindern, dass die Gegenseite den Fall nach Kalifornien bringt, hat Doyle bereits sechs Unternehmen im Bundesstaat mit einer Klage wegen Rechteverletzung eingedeckt. Dem leistete der zuständige Richter, Leonard Davis, Folge und lehnte einen entsprechenden Antrag auf Verlegung ab.

"Erfinder des Internets" schlägt Alarm

Tim Berners-Lee, der 1990 erstmals die Client-Server-Kommunikation auf Basis eines HTTP-Protokolls umgesetzt hatte und somit als einer der wichtigsten Netzpioniere gilt, hat bereits vor der achtköpfigen Jury ausgesagt und seine Bedenken festgehalten. Ein von ihm unterschriebener Brief der W3C an das US-Patentamt brachte schon zuvor die Besorgnis zum Ausdruck, dass ein Erfolg Doyles den "Zusammenbruch globaler Webstandards" nach sich ziehen und "dem Betrieb des Internets substanziellen wirtschaftlichen und technischen Schaden zufügen könnte", berichtet Wired.

UC California in der Zwickmühle

In einem ersten Verfahren soll nun über die Gültigkeit der Eolas-Patente entschieden werden. Das Urteil könnte Bereits Ende der Woche vorliegen. Sollte das Gericht die Ansprüche von Eolas bestätigen, so folgt in drei weiteren Prozessen die Abhandlung der darauf basierenden Klagen gegen verschiedene Firmen, die sich mit Forderungen im hohen Millionenbereich konfrontiert sehen würden.

In der Bredouille sitzt auch die UC California, die nach wie vor ein Geschäftspartner von Eolas Technologies ist. Diese ist gleichzeitig eng mit verschiedenen Firmen der Tech-Branche verbandelt, die unter anderem mit der Einstellung ihrer Absolventen zum guten Renomee der Einrichtung beitragen. Ein Erfolg von Doyle könnte der Universität großen Geldsegen bescheren, gleichzeitig aber auch die Einstellungschancen ihrer Studenten im amerikanischen IT-Business dramatisch mindern.

Quelle: www.pressetext.com/Georg Pichler

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