La-Ola im Nanomagneten
Archivmeldung vom 26.09.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTausende Musik-Hits auf dem Multimedia-Player, Handys, die zum mobilen Büro werden, oder portable Festplatten, deren Speicherkapazität im Terabyte-Bereich liegt - das heutige Informations- und Multimedia-Zeitalter fordert immer größere Datenmengen auf immer kleinerem Raum. Eine große Rolle für die Datenspeichertechnik spielen dabei winzige magnetische Nanopartikel, die aus wenigen Atomen bestehen.
Je nach Ausrichtung der Gesamtmagnetisierung repräsentiert jedes der
Partikel dabei ein Bit, also die kleinste Informationseinheit, die
entweder "0" oder "1" annehmen kann. Nur durch die stetige
Miniaturisierung dieser Nanomagnete werden immer größere
Speicherdichten ermöglicht, und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht
abzusehen. Grundvoraussetzung für die langfristige Sicherung von Daten
ist dabei die Stabilität der magnetischen Teilchen gegen thermische
Anregungen: Unterhalb einer kritischen Größe beginnt die Magnetisierung
eines Partikels von sich aus, spontan zwischen seinen beiden Zuständen,
also zwischen "0" und "1", hin- und herzuschalten, was unweigerlich zum
Verlust der gespeicherten Daten führt.
Um auch in Zukunft noch mehr Daten auf immer kleinerem Raum speichern
zu können, ist ein detailliertes Verständnis der Physik in solchen
magnetischen Nanoteilchen unabdingbar. Je nach Anwendungsgebiet ließen
sich dann gezielte Magnete designen, die entweder besonders stabil (für
Datenspeicheranwendungen) oder sensitiv (z.B. für Sensoren) gegenüber
äußeren Einflüssen sind.
Volumenartige magnetische Materialien sind stets durch komplexe
Domänenstrukturen gekennzeichnet, bei denen die magnetischen Spins
innerhalb jeder einzelnen Domäne parallel liegen. Die magnetischen
Domänen sind dabei durch Übergangsbereiche, sogenannte Domänenwände,
voneinander abgegrenzt. Kleinste Nanomagnete bestehen nur aus einer
einzelnen Domäne: Alle magnetischen Spins des Teilchens zeigen in eine
gemeinsame Richtung. Um die Magnetisierung nun in die entgegengesetzte
Richtung zu schalten, muss jedes Atom seinen magnetischen Spin drehen.
Bislang wurde angenommen, dass ein eindomäniger Nanomagnet stets
kohärent von einem Zustand in den anderen umschaltet, was bedeutet,
dass sich alle magnetischen Spins des Teilchens gemeinsam drehen und
dabei stets parallel zueinander stehen.
Im Department Physik der Universität Hamburg wurde nun gezeigt, dass
diese Annahme überholt ist. Die Mitarbeiter der Gruppe um Prof.
Wiesendanger untersuchten das thermische Schaltverhalten von
magnetischen Nanoinseln, die aus etwas mehr als 30 Atomen bestehen.
Dazu wurde die magnetische Spitze eines Rastertunnelmikroskops so weit
an einzelne Nanoinseln angenähert, bis ein Tunnelstrom zwischen Spitze
und Insel floss. Ja nach relativer Ausrichtung der Magnetisierung von
Spitze und Insel wurde dann entweder ein hohes oder eine niedriges
Signal der differenziellen Leitfähigkeit gemessen. Das Schalten
zwischen diesen beiden Konfigurationen wurde in Funktion der Zeit
aufgezeichnet und die jeweiligen Wartezeiten zwischen aufeinander
folgenden Schaltereignissen analysiert.
Sowohl die Experimente als auch entsprechende Simulationen zeigen, dass
die Nanoinseln über einen komplexen Schaltmechanismus ihre
Magnetisierung ändern, vergleichbar einer La-Ola-Stadionwelle. Dabei
imitieren die Zuschauer eine sich durch das Stadion bewegende
Wasserwelle, in dem sie in einer vorgegebenen Richtung nacheinander
kurz die Arme hochreißen. Ähnlich läuft auch der
Ummagnetisierungsprozess in der Nanoinsel ab: Zum Schalten wird
kurzzeitig der eindomänige Magnetisierungszustand aufgegeben, um eine
Domänenwand an einem Ende der Insel zu formen. Diese Domänenwand, die
den bereits umgeschalteten vom noch nicht geschalteten Teil der Insel
trennt, durchläuft diese von einem Ende zum anderen und überführt die
Insel somit in ihren entgegengesetzten, wieder eindomänigen
Magnetisierungszustand.
Eine detaillierte Analyse des thermischen Schaltverhaltens der
Nanoinseln in Korrelation zu ihrer Größe, Form und Temperatur ergab,
dass die Domänenwand dabei vorzugsweise entlang einer bestimmten
kristallografischen Achse orientiert ist und sich senkrecht zu dieser
bewegt, genauso wie sich eine La-Ola im Stadion immer entlang der
Sitzplatzreihen bewegt und ihre Front senkrecht zu den Reihen
orientiert ist. Dieser Effekt hat direkte Auswirkungen auf das
Schaltverhalten einer Nanoinsel: Ist sie besonders lang, so ist die
Distanz, die die Domänenwand zum erfolgreichen Schalten der
Magnetisierung überwinden muss, entsprechend groß. Dies bewirkt, dass
viele Domänenwände - die sich im Gegensatz zur Lao-Ola nicht nur
vorwärts, sondern auch rückwärts bewegen können - wieder an den Ort
ihrer Entstehung statt an das andere Ende der Insel gelangen, ohne
dabei die Magnetisierung umzuschalten. Für besonders breite Inseln
stellt sich heraus, dass die Anzahl der möglichen Entstehungskeime
einer Domänenwand erhöht ist, was entsprechend zu einer höheren
gemessenen Schaltrate führt. Im Analogon der La-Ola bedeutet dies, dass
wenige Menschen sich leichter zu einer La-Ola koordinieren können als
große Massen.
Wie die Hamburger Forscher-Gruppe zeigt, variieren die Schaltraten der
Nanomagnete je nach Inselgröße und -form um bis zu mehrere
Größenordnungen. Diese Erkenntnisse helfen dabei, zukünftige
maßgeschneiderte Nanoteilchen zu entwickeln, die je nach gewünschtem
Anwendungsgebiet entweder besonders stabil oder sensitiv sind.
Quelle: Universität Hamburg