Digitaler Rekordspeicher durch metallische Zwangsehe
Archivmeldung vom 18.10.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAngenommen, die persönliche Musiksammlung umfasst 500 CDs. Das sind wahrscheinlich über 5000 einzelne Titel. Wäre es nicht praktisch, die komplette Sammlung als mp3-Dateien komprimiert auf nur einem Rohling speichern zu können? Ein Paar Kopfhörer, ein Lesegerät und schon wäre es, als hätte man das heimische CD-Regal immer dabei.
An Möglichkeiten der Umsetzung dieser Vision arbeitet zurzeit der Dresdner Physiker Dr. Dirk C. Meyer, Leiter der "Selbstständigen Nachwuchsgruppe für Nanostrukturphysik" an der Technischen Universität Dresden mit seinen jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie wissenschaftlichen Kooperationspartnern.
Die Wissenschaftler entwickeln unter anderem Verfahren, mit denen beispielsweise
die Speicherkapazität von DVDs um das Zehn- bis Hundertfache erhöht werden
könnte.
Arbeitsgrundlage der Gruppe um Dr. Meyer ist die regelmäßige,
gitterartige Struktur der Atome in festen Stoffen, die Kristallstruktur. Die
Anordnung der Atome bestimmt maßgeblich die Materialeigenschaften, wie zum
Beispiel Magnetismus, elektrische Leitfähigkeit oder Härte. Ziel ist es, die
Atomgitter so verändern zu können, dass sich Eigenschaften modifizieren und
damit auch verbessern lassen. "Wir möchten Atome überreden, ihren Platz im
Teilchengefüge gezielt zu wechseln, auch wenn sie es eigentlich gar nicht
wollen", sagt der Physiker.
Wenn Atome nicht ohne weiteres ihre Position
verändern oder neben unliebsamen Nachbarn einnehmen, helfen die Dresdner
Wissenschaftler ein bisschen nach. Eisen und Chrom beispielsweise werden in
einer Art Zwangsehe miteinander verbunden. Eigentlich lassen sich die beiden
chemischen Elemente bei Raumtemperatur nicht mischen, was für maßgeschneiderte
magnetische Werkstoffe interessant wäre, so ist Eisen unter entsprechenden
Bedingungen ferromagnetisch, Chrom dagegen antiferromagnetisch. Aber mithilfe
eines Lasers können beide Metalle verdampft und so miteinander trickreich
gemischt werden. "Dies beherrschen unsere Kooperationspartner vom Institut für
Werkstoffwissenschaft um Prof. Wolfgang Pompe im weltweiten Vergleich in
Spitzenqualität" so Dr. Meyer. Ausgehend von dem durch den Laser herbeigeführten
plasmaartigen Zustand, welcher der Situation auf der Sonnenoberfläche ähnlich
ist, lagern sie die Atome dann - auch gegen ihren Willen - gemeinsam als
hauchdünne Schicht auf den Oberflächen von umgebenden und vergleichsweise kalten
Materialien ab. Einmal zwangsvereint fehlt den Atomen nach der Ablagerung
einfach die Energie, um ihren Platz noch einmal zu wechseln und sich dadurch
wieder zu entmischen.
Dr. Meyer ging anschließend folgender Frage nach:
Was passiert, wenn man die Atome dieser Schicht teilweise wieder mobil macht -
ihnen also Energie zuführt, mit der sie sich aus der Gitterstruktur mit den
jeweils anderen Atomen befreien könnten. "Sie werden sich natürlich entmischen,
um sich aus ihrer angespannten Lage Erleichterung zu verschaffen", weiß der
Physiker. Dadurch wird allerdings die Anordnung der Atome wieder verändert und
damit die Eigenschaften der Stoffe. Im genannten Fall könnte so die Schicht vom
nichtmagnetischen in den magnetischen Zustand übergehen. Die zugrunde liegende
Gitteranordnung der Atome wird dabei durch die Beugung von Röntgenstrahlung
vermessen, womit die Physiker die technisch nutzbaren Eigenschaften mit der
jeweiligen Anordnung der Atome verknüpfen können.
Für besondere
Entwicklungen dieser Methode für dünnste Schichten erhielt Dr. Meyer den
"Max-von-Laue-Preis 2004", der nach dem hauptsächlichen Entdecker (erstes
erfolgreiches Experiment im Jahre 1912 und Nobelpreis für Physik im Jahre 1914)
benannt ist. "Ohne eine aktive und motivierte Gruppe und ein wissenschaftliches
Umfeld sowie technische Unterstützung - wie an der TU Dresen vorhanden - sind
derartige Leistungen für Einzelne undenkbar", so Dr. Meyer.
Beschießt man nun Stück für Stück einer so gefertigten dünnen Schicht "in Zwangsehe" auf einem CD-ähnlichen Rohling mit energiegeladenem Laser oder Ionen werden sich die Atome nur genau an der jeweiligen Stelle - limitierbar auf die Ausdehnung einer Handvoll Atome - neu anordnen, auf die der Energiestrom gerichtet ist, ähnlich einem CD-Brenner im Computer. Dieses Verfahren wäre zum Beispiel auf einem Rohling anwendbar, dessen Oberflächenbeschichtung Stelle um Stelle magnetisiert oder eben nichtmagnetisch belassen sein könnte. Digitale Daten wären so in einer bisher nicht erreichten Kapazität auf beschichteten Rohlingen speicherbar. Auf winzigen Mikrochips ließen sich mit diesem Verfahren sogar magnetische Leiterbahnen "schreiben". "Unsere Publikationen zu diesem Thema in international renommierten Fachzeitschriften werden von Fachkollegen in aller Welt rege zitiert - nahezu jede Woche erscheint eine wissenschaftliche Publikation von Fachkollegen, welche die erwähnten Arbeiten als Grundlage würdigen: "Und immer ist damit auch von der TU Dresden die Rede", freuen sich Dr. Meyer und seine jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.