"Massenmord" Das stille sterben der Delfine und Pelikane in Peru
Archivmeldung vom 02.05.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTraumhafte Sandstrände so weit das Auge blicken kann und nebenan der pazifische Ozean mit seinen wilden Wellen die das Gebiet zwischen Lambayeque und Piura zu einem Hot Spot der Surferszene machten. Vor kurzem erlangte der 170 Kilometer lange Küstenstreifen traurige Berühmtheit. Er ist Schauplatz einer unglaublichen Tragödie, die bereits tausende Opfer forderte.
Erst Ende März wurden die Medien auf das Massensterben der Delfine Aufmerksam gemacht, und die Nachricht ging wie ein Lauffeuer um den Globus. Umweltschutzorganisationen und lokale Fischereiverbände standen plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit. Die schuldigen schienen schnell ausgemacht und die Politik versprach den Vorfall sofort und umfassend Untersuchen zu lassen, um die schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.
Seit Beginn des Jahres wurden fast 4000 tote Delfine in dieser Region an die Strände gespült. Schuld am Tod der Tiere sollen sogenannte „Meeres-Blasen“ sein. In der Region suchen Firmen nach Öl- und Gasvorkommen unter dem Meeresboden. Dabei wird die sogenannte Seismik eingesetzt. Dabei registrieren Seismographen die Ausbreitungsgeschwindigkeiten künstlich erzeugter Erschütterungen, die von den verschieden Gesteinschichten reflektiert werden. Die Messdaten geben Aufschluss über die geologischen Strukturen bis in mehrere Tausend Meter Tiefe. Der Schall dieser akustischen Wellen und seine Auswirkungen verursachen bei den Meeressäugern schwere Schäden die zum Tode führen können, wie etwa Gleichgewichtsverlust, Orientierungslosigkeit oder innere Blutungen. Das gleiche Gilt für den Einsatz von Sonarwellen durch die industrielle Fischerei, die in dieser Region überhand nimmt.
Mittlerweile liegt der erste Untersuchungsbericht vor. Die Behörden gehen davon aus, dass das hochansteckene Morbillivirus für den Tod der Tiere verantwortlich ist. “Das wahrscheinlichste Szenario ist das Auftreten des Morbillivirus. Es ist nicht das erste Mal, dass es auftritt. Es gab Fälle in Peru, Mexiko und den Vereinigte Staaten. Dort führte das Virus ebenfalls zu einem massiven Sterben von Delfinen”, erklärte das Ministerium für Umwelt. Abschließende Untersuchungsergebnisse sollen in den nächsten Wochen vorliegen. Der Haken an der Sache ist, dass es sich nur um eine Vermutung handelt. Das Virus selbst wurde bislang nicht nachgewiesen, und wird vermutlich nie nachgewiesen werden. Dafür sprechen die aktuellen Ereignisse.
Im gleichen Küstenabschnitt wo tausende verendeter Delfine angeschwemmt wurden, sind jetzt etwa 1200 Pelikane und diverse andere Küstenvögel tot aufgefunden worden. Die Behörden stehen vor einem Rätsel. Das Phänomen ist aber nicht ganz neu. Im El Nino Jahr 1997 gab es ein ähnliches Szenario. Der Grund für das damalige Massensterben war das Ausbleiben der Sardellen.
Was oder wer ist jetzt verantwortlich für dieses Massensterben? Das Morbillivirus, akustische Schocks, oder das Ausbleiben der Sardellen? Unserer Einschätzung nach scheidet das Morbillivirus als Ursache aus, weil dies die Schuldzuweisung in die Verantwortung der Natur gibt. Wir sind uns ziemlich sicher dass verschiedene Faktoren an diesem Phänomen mitwirken, allesamt verursacht durch menschliche Einwirkungen. Zum einen die eingesetzte Seismik und Sonar. Zum anderen exzessive Überfischung durch schwimmende Fischfabriken. Zu all dem kommt noch eine immense Verschmutzung der Gewässer, bedingt durch ungeklärte Abwässer aus Haushalten und Industrie, sowie durch Verklappung von Brauchwasser und Altölen der Fischtrawler. Bedingt durch diese Meeresverschmutzung und des Abfischens der Fischbestände, sind die Tiere letztlich wohl an Gift und Hunger gestorben.
Unseres Erachtens liegt die Verantwortung für diesen „Massenmord“ einzig und allein daran wie Wirtschaft und Politik mit der Natur verfahren. Der Scheitelpunkt zum nachhaltigen, umweltbewussten, handeln ist längst überschritten. Internationale, verbindliche, Standards sind längst überfällig. Die verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft müssen endlich zur Rechenschaft gezogen werden. Umweltverschmutzung und die Zerstörung natürlicher Lebensräume sind kein Kavaliersdelikt mehr. Wir fordern daher einen internationalen Gerichtshof für Umweltangelegenheiten. Ein Umweltverbrecher-Tribunal das schonungslos ermittelt, aufklärt und verurteilt, ohne Rücksichtnahme auf Status oder Immunität. Es kann und darf nicht sein, dass unsere Zukunft und die Zukunft unserer Nachkommen bestimmt wird von ein paar Hand voll skrupelloser Industrieller und verantwortungslosen Politikern.
Quelle: Harald Petrul / Regenwaldschutz-Projekt Chanchamayo Peru (News4Press)