Meister der Verschlüsselung
Archivmeldung vom 09.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuf einen Schlag weltweit Millionen von Festplatten löschen? Eine Horrorvision für Unternehmen und Volkswirtschaften. Damit der Alptraum nie wahr wird, forscht Kryptographie-Experte Johannes Buchmann von der TU Darmstadt an digitalen Signaturen. Jetzt erhält der "Meister der Verschlüsselung" den "Karl Heinz Beckurts-Preis".
Johannes Buchmann gilt in seiner Zunft international als führend. Sein
Spezialgebiet ist die Kryptographie, die Wissenschaft der Verschlüsselung
von Informationen. Jetzt erhält der Darmstädter Informatikprofessor und
Leibniz-Preisträger den mit 30.000 Euro dotierten "Karl Heinz
Beckurts-Preis".
Während sich in vergangen Jahrhunderten Kryptographen
mit Geheimschriften, und später mit mathematischen
Verschlüsselungsverfahren beschäftigten, die Kriege entscheiden
konnten,
und deren Entschlüsselung manchen politischen Führer vom Thron stieß,
arbeitet Buchmann heute weniger sagenumwoben. Kryptographie ist aber
mindestens genauso lebenswichtig wie damals. Heutzutage geht es vor allem um
den Schutz digitaler Daten, von denen jeder Mensch im Alltag, aber auch ganze
Volkswirtschaften immer stärker abhängig werden.
Buchmann, seit 2001
auch Vizepräsident der TU Darmstadt, erforscht Möglichkeiten, solche Daten
mit Hilfe von digitalen Signaturen zu sichern. Eine digitale Signatur ist
ein Verfahren, bei dem aus beliebigen Daten - zum Beispiel einer Nachricht -
eine Zahl berechnet wird, die die Urheberschaft der Daten für jeden
nachprüfbar macht. Ein solches Verfahren beruht auf sehr
komplexen, mathematischen Sachverhalten. Durch die Bedrohungen des
digitalen Zeitalters entwickelte sich deshalb einer der theoretischsten
Bereiche der Mathematik zur gefragten Disziplin: Die Zahlentheorie. "Während
meines Studiums begann ich mich für die Zahlentheorie zu interessieren.
Damals war das noch ein recht exotisches, wenig anwendungsbezogenes Feld",
sagt Buchmann.
Weltweit auf einen Schlag Millionen von Festplatten
löschen
Für das Internetzeitalter sind digitale Signaturen so wichtig
wie die eigenhändige Unterschrift. Mehr noch, Johannes Buchmann ist sich
sicher: Derjenige, der digitale Signaturen fälschen kann, ist in der Lage,
auf einen Schlag Millionen von Festplatten zu löschen. Die
Authentizität
automatischer Updates von Betriebssystemen wie Windows XP oder
Linux wird nämlich durch digitale Signaturen garantiert. Sind diese erst
einmal geknackt, ist es möglich, den Computer von außen so zu manipulieren,
dass er statt neuer Treiberversionen zu laden, schlicht den Befehl "Format
C:" ausführt. "Es geht mir in meiner Arbeit nicht um Panikmache",
betont Buchmann. "Die Signaturverfahren, die heute existieren, sind
bereits extrem sicher. Aber wir brauchen dennoch neue Methoden, um auf
ein wachsendes Sicherheitsrisiko bei steigender Abhängigkeit der Menschen
von IT-Technik adäquat reagieren zu können."
Sichere Verschlüsselung
von der Forschung bis zur Anwendung
Johannes Buchmann war schnell klar,
dass es mit der Erforschung alternativer Signaturverfahren nicht getan ist.
Werden Signaturverfahren unsicher, ist das ein "Supergau", der extreme
Reaktionszeiten erfordert. Aus diesem Grund begann Buchmann das Projekt
FlexiPKI. Unsichere Komponenten von Signaturverfahren können mit diesem
Verfahren leicht ausgetauscht werden, ohne den laufenden Betrieb zu stören.
2003 führte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post seine
Software "FlexiTrust", die solch einen schnellen Austausch unterstützt, in
Kooperation mit Buchmanns Start-Up FlexSecure GmbH, T-Systems und dem
Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz ein. Seitdem sichert sie alle
qualifizierten Signaturen in Deutschland. Auch das Bundesamt für die
Sicherheit in der Informationstechnik verwendet "FlexiTrust" für die
Zertifizierung des neuen deutschen Reisepasses. Auf einem Chip im Einband der
Pässe wird künftig ein digitales Bild des
Inhabers gespeichert. Das Bild wird
durch eine elektronische Unterschrift vor Veränderungen geschützt.
"Eigentlich wollte ich Lehrer werden"
Lange bevor digitale
Signaturen eine solch eminent praktische Bedeutung bekamen, beschäftigte
sich Buchmann mit ihrer Sicherheit. Er erkannte, dass RSA, das wichtigste
Signaturverfahren, keineswegs eine Garantie für Sicherheit ist. Eine einzige
geniale mathematische Idee kann alle digitalen Signaturen dieser Welt
unsicher machen. Diese wichtige Erkenntnis weckte Buchmanns
wissenschaftliches Interesse. Seither dreht
sich bei dem 53-jährigen alles um
Erfindung, Erforschung und Implementierung alternativer Signatur-und
Verschlüsselungsverfahren.
"Eigentlich wollte ich einmal Lehrer werden. Aber
das bin ich ja auch an der Universität", erzählt Buchmann. Der
Informatikprofessor lockt mittlerweile Studenten aus der ganzen Welt nach
Darmstadt. Sein Grundlagenwerk "Einführung in die Kryptographie" ist in viele
Sprachen,
zuletzt sogar in Farsi, übersetzt worden. Für seine Arbeiten
zur algorithmischen Zahlentheorie und Kryptographie erhielt er 1993
den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
2006 wurde Buchmann in die Berlin-Brandenburgische Akademie der
Wissenschaften gewählt. Der Kurt Beckurts-Preis, den er heute in der
Münchener Residenz
erhält, ist für ihn trotz vieler Ehrungen der
Vergangenheit etwas besonders: "Der Preis zeigt: Aus meiner Wissenschaft
wurde etwas wirklich Praktisches", sagt Buchmann.
Die Karl Heinz Beckurts-Stiftung wurde 1987 von der heutigen Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren gegründet, um den Forscher und Manager Karl Heinz Beckurts, der 1986 einem Terroranschlag zum Opfer gefallen ist, zu ehren und das Andenken an ihn wach zu halten.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.